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Der Krieg in Türkei-Kurdistan


Auteurs : | |
Éditeur : Lamuv Date & Lieu : 1998, Göttingen
Préface : Pages : 240
Traduction : ISBN : 3-88977-502-0
Langue : KurdeFormat : 115x180 mm
Code FIKP : Liv. Ger. Ber. Kri. 1986Thème : Général

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Der Krieg in Türkei-Kurdistan

Der Krieg in Türkei-Kurdistan

Andreas Berger,
Rudi Friedrich,
Kathrin Schneider

Lamuv


Seit 1984 hat der Krieg in den kurdischen Gebieten der Türkei über 30 000 Tote gefordert. Fast 2 800 Dörfer sind vollständig entvölkert worden. Fünf Millionen Menschen sind wegen des Krieges emigriert. In großen Armeeoperationen werden ganze Landstriche eingekreist, durchkämmt und zum Schauplatz von Gefechten. Rund 150 000 Soldaten der türkischen Armee und etwa eben-soviele Mitglieder von Polizeieinheiten stehen zirka 10 000 bis 15 000 Guerilla der kurdischen PKK gegenüber.

In dieser Dokumentation wird der Hintergrund des Konflikts dargestellt, die Kriegführung des türkischen Staates und deren Folgen beschrieben. In einem zweiten Teil geht es insbesondere um den Einsatz und die Situation der Soldaten in der türkischen Armee. Durch ihre Berichte wird deutlich, daßdie Armee alles andere als einen »sauberen Krieg« führt beziehungsweise »Terroristen gezielt bekämpft«. Es handelt sich vielmehr um einen systematischen staatlichen Terror gegen die kurdische Bevölkerung.



VORWORT


September 1997: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt die Türkei zur Zahlung von Schadensersatz an eine Kurdin, die 1993 als 16jährige festgenommen und durch Polizeibeamte gefoltert und vergewaltigt wurde. - Verbunden mit Bombardements der Luftwaffe marschiert die türkische Armee in Irakisch-Kurdistan ein. - Der türkische Ministerpräsident Mesut Yilmaz ist zu Besuch bei Kanzler Kohl.

Nachrichten über die Türkei und den Krieg in Kurdistan, wie sie in den deutschen Medien auftauchen - Nachrichten, die einige Fragen aufwerfen, die wir in diesem Buch untersuchen wollen.
Was für eine Armee unterstützt Deutschland mit seinen Waffenlieferungen? Wie organisiert der türkische Staat seinen Feldzug gegen die kurdische Nationalbewegung, womit nicht nur die PKK gemeint ist? Wer trägt die Verantwortung für die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen? Wie werden die normalen Soldaten, die türkischen Wehrpflichtigen, in diesen Krieg einbezogen?

Anhand von Gesetzen, Berichten in der türkischen und deutschen Presse sowie in verschiedensten Publikationen und Materialien sind wir diesen Fragen nachgegangen. Neben unseren Eindrücken, die wir in der Türkei gesammelt haben, haben wir uns auch direkt an ehemalige Soldaten der türkischen Armee gewandt. Einige Interviews mit ehemaligen Soldaten hatten wir in türkischsprachigen Zeitungen gelesen. Dadurch angeregt interviewten wir selbst 1996/97 sieben ehemalige Soldaten der türkischen Armee. Die Aufnahme eines weiteren Interviews stellte uns ein Journalist aus der Türkei zur Verfügung. Wir haben diese Gespräche weitgehend ins Deutsche übersetzt und für unsere Untersuchung verwandt. Den Interviewpartnern wurde ausdrücklich zugesichert, daß ihre Angaben im Falle der Veröffentlichung anonymisiert werden. Wir haben deshalb alle Namen einschließlich der Vornamen geändert sowie die Angaben zur Dienstzeit und die Einsatzorte nur ungenau angegeben.

Viele Fragen, die wir über diesen Krieg, die Armee und die Sicherheitskräfte, die ihn fuhren, über die Situation im Kriegsgebiet und in der Armee hatten, konnten uns die Soldaten aus den verschiedensten Gründen nicht beantworten. Manche Themen in ihren Erzählungen waren für uns neu und unerwartet.

Nach einem kurzen Überblick über die derzeitige Situation und die Dimension des Krieges beziehungsweise seine Folgen werden wir diesen Krieg unter zwei Aspekten darstellen:

Der erste Teil behandelt die Art und Weise der Kriegführung des Staates. Hier wird nach einer kurzen Darstellung des historischen Hintergrundes des heutigen Konflikts und der besonderen Rolle des Militärs in der Türkei die Strategie der Armee untersucht und sodann die Rolle der einzelnen bewaffneten staatlichen Einheiten dargestellt.

Der zweite Teil behandelt den Einsatz und die Situation der Soldaten in der türkischen Armee. Nach einem Überblick über die Wehrpflicht und die Versuche, sich dieser zu entziehen, werden hier auf der Grundlage von Interviews mit ehemaligen Soldaten einige wichtige Punkte der Rolle der Soldaten in diesem Krieg dargestellt: Wie die Wehrpflichtigen der Türkei zu Beteiligten dieses Krieges mit all den dazugehörigen Grausamkeiten werden, wie sie sich gegenüber anderen dabei verhalten und wie sie durch den Krieg verändert werden. Wir wollen aber auch auf verschiedene Formen des Widerstandes gegen den Krieg und den Militarismus aufmerksam machen.

Alle, die sich gegen diesen Krieg betätigen wollen oder ihn weder durch eigene Teilnahme noch durch eine finanzielle Unterstützung des türkischen Kriegsministeriums fördern wollen, finden danach im Adressenanhang einige Organisationen, an die sie sich wenden können.

Dieses Buch enthält einige Themen, die mit unserer Untersuchung in engem Zusammenhang stehen, nicht oder streift sie nur:

Der Versuch des türkischen Staates, den diesem Krieg zugrunde liegenden Konflikt militärisch zu lösen, ist keine Lösung, sondern stellt eine Verschärfung dar. Wir wollen diesen Konflikt jedoch - abgesehen von einer kurzen historischen Einführung - hier nicht näher untersuchen. Dies gilt auch für die Frage der Lösungsmöglichkeiten und des Weges zu einem Frieden. Es würde Rahmen und Umfang dieses Buches sprengen.

Wir untersuchen die Kriegführung des türkischen Staates zwar auch im Hinblick auf die dabei stattfindende geplante systematische Verletzung von Menschenrechten und von türkischem und internationalem Recht. Rechtliche Fragen beziehen wir jedoch nur insoweit ein, als wir neben der Darstellung der Praxis des Apparates auch einige rechtliche Grundlagen erläutern. Eine rechtliche Würdigung, insbesondere internationaler Abkommen, Fragen der Behandlung des Selbstbestimmungsrechts der Völker, des Kriegsgefangenenstatus und ähnliches kann hier nicht stattfinden.2 Dies wäre ein weiteres gesondertes Thema.

Auch die Kriegführung der zweiten Kriegspartei, der ARGK, der Guerilla-Armee der PKK, wird hier nicht behandelt. Es tauchen nur einzelne Aspekte im Text auf. Eine sinnvolle Darstellung anhand des uns zur Verfügung stehenden Materials ist jedoch nicht möglich. Wollte man die Guerilla-Armee, die den Anspruch erhebt, das Selbstbestimmungsrecht einer Nation3 gegen die Unterdrückung dieser Nation durch mehrere Staaten zu erkämpfen, analysieren, würden auch noch ganz andere Fragen eine Rolle spielen.

Die Praxis und Strategie der ARGK und ihr Verhältnis zur Bevölkerung der kurdischen Region spielen natürlich - wie auch einige andere hier nicht behandelte Aspekte - eine Rolle für das Verhalten des türkischen Staates. Dennoch halten wir die Untersuchung und Bewertung der Kriegführung der einen Seite, des türkischen Staates, für möglich, ohne näher auf die Gegenseite einzugehen. Zum einen unterliegt das staatliche Handeln generellen Anforderungen, die unabhängig vom »Anlaß« seines Handelns gelten, wie etwa die Einhaltung der Menschenrechte. Zum anderen ist es auch sinnvoll, die eigene Darstellung des Staates und seines Handelns anhand seiner tatsächlichen Praxis zu überprüfen.

Dementsprechend erfolgt hier auch keine Untersuchung aller politischen Kräfte, die in diesem Krieg wirken oder den Auswirkungen dieses Krieges ausgesetzt sind. Wir sind uns wohl bewußt, daß es hier weitaus mehr Kräfte gibt als die von uns erwähnten beziehungsweise näher behandelten. Dies gilt auch für die Kräfte in der Türkei, die gegen die staatliche Unterdrückung der Kurden und gegen diesen Krieg kämpfen. Hier geben wir, abgesehen von einigen kurzen allgemeinen Hinweisen, nur Informationen über zwei Initiativen: die Vereine der Kriegsgegner, die sich speziell mit dem Militär beschäftigen, und die Initiative zur Unterstützung von Frauen, die durch staatliche Kräfte sexuell mißhandelt oder vergewaltigt wurden.

Die vorliegende Untersuchung beruht -auf der Arbeit von vielen Menschen in der Türkei und in Deutschland, die Interviewpartner vermittelt, selbst Interviews geführt, Material zur Verfügung gestellt, Übersetzungen erstellt, den Text mit diskutiert oder das Projekt in anderer Form unterstützt haben. Zu ihrer eigenen Sicherheit und auf Wunsch mancher bleiben einige Personen ungenannt. Kathrin Schneider und Andreas Berger haben die Materialien zusammengestellt, sich an den Interviews beteiligt und - zusammen mit Katja Habermann - die Übersetzungsarbeiten durchgeführt. Andreas Berger verfaßte den Teil über die staatliche Kriegführung, Rudi Friedrich den Teil über die Soldaten. Kathrin Schneider bearbeitete die Interviewauszüge. Faysal Dagh, Halit Temli und Ronald Ofteringer waren uns bei der Zusammenstellung der Materialien behilflich. Jens Warburg und Franz Nadler haben sich an der Diskussion des Textes beteiligt. Die fotografische Gestaltung des Buches erfolgte zusammen mit R. Maro, von dem auch die meisten Fotos stammen.

Das Projekt wurde von der antimilitaristischen Organisation Connection e.V. in Offenbach und dem Projekt Genocide Watch in Berlin unterstützt und mitgetragen. Aus der Türkei erhielten wir Materialien vom Menschenrechtsverein der Türkei (IHD), der Stiftung für Menschenrechte der Türkei (TIHV) und dem Verein der Kriegsgegnerinnen Izmir (ISKD) beziehungsweise von Mitgliedern dieser Organisationen.

Finanziell wurde dieses Projekt durch die Hans-Böckler-Stif-tung in Düsseldorf, den AStA der TU Berlin und den Studentinnenrat der Humboldt-Universität Berlin unterstützt. Wir danken allen, insbesondere aber jenen, die sich bereit erklärt haben, uns ihre Erlebnisse und Eindrücke von diesem Krieg zu schildern.

Sowohl in den Interviews als auch in Artikeln und Berichten über den Krieg werden militärische und juristische Begriffe oft sehr ungenau und widersprüchlich benutzt. Wir haben uns bemüht, dies zu korrigieren oder in Fußnoten darauf hinzuweisen. Im Anhang haben wir für einige Begriffe ein Glossar erstellt. Soweit wir aus eigenen Interviews zitieren, erfolgt keine weitere Quellenangabe, sondern nur die Abkürzung des Namens, wie etwa »Alp N.«.

Andreas Berger, Rudi Friedrich, Kathrin Schneider

Wie der türkische Staat
den Krieg organisiert



Die Türkei im Kriegszustand

Über 30 000 Tote dürfte der Krieg in den kurdischen Gebieten der Türkei, der 1984 mit einem Angriff der PKK auf Einrichtungen der Gendarmerie begann, inzwischen gefordert haben. Necati Bilican, der Supergouverneur des Ausnahmezustandsgebietes4, erklärte im Juli 1997, daß es im Kampf mit der PKK allein in den letzten zehn Jahren 29129 Tote gegeben habe5. Der Menschenrechtsverein (IHD) spricht von 2 759 Dörfern, die vollständig entvölkert worden sind. Die Dörfer wurden in Brand gesteckt oder die Häuser niedergerissen. Unter Berufung auf offizielle Quellen ist in dem Papier des Menschenrechtsvereins von annähernd 5 Millionen Menschen die Rede, die wegen dieses Krieges emigriert sind.6 In großen Armee-Operationen werden ganze Landstriche eingekreist, durchkämmt und zum Schauplatz von Gefechten. 215 000 Soldaten, 110 000 »Dorfschützer« sowie Tausende von Polizisten sind im November 1997 im Ausnahmezustandsgebiet im Einsatz.7 Ihnen dürften etwa 10 000 bis 15 000 Guerilla der PKK8 gegenüberstehen. In regelmäßigen Abständen formieren sich Sondereinheiten und Bataillone mit bis zu Zehntausenjien von Soldaten zu Invasionen in die kurdische Grenzregion des Irak. Es herrscht Krieg in der Türkei.

Die Kosten dieses Krieges bezifferte der Generalstab der türkischen Armee auf einer Pressekonferenz am 29. April 1997 mit täglich über einer Million US-Dollar und einem Jahresbetrag von rund 450 bis 500 Millionen Dollar9. Die Auswirkungen des Krieges haben jedoch noch ganz andere Dimensionen:

- Die völlige Zerstörung und Verarmung großer Landstriche, die nicht nur durch die Gefechte selbst zerstört werden, sondern in denen die Vieh- und Landwirtschaft vernichtet wird, Dörfer zerstört und niedergebrannt, die Wälder abgebrannt und ...




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