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Ein vergessener Holocaust


Auteur :
Éditeur : Gesellschaft für bedrohte Völker Date & Lieu : 1989, Gottingen & Wien
Préface : Pages : 422
Traduction : ISBN : 3-922197-25-6
Langue : AllemandFormat : 130x190 mm
Code FIKP : Liv. Ger. Yon. Ein. 1764Thème : Général

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Ein vergessener Holocaust

Ein vergessener Holocaust

Gabriele Yonan

Gesellschaft für bedrohte Völker


Vernichtung und Vertreibung der christlichen Assyrer aus ihren historischen Siedlungsgebieten in der Türkei und Persien während des Ersten Weltkrieges sind Gegenstand dieser ausführlichen und detaillierten Dokumentation. Anders als der gleichzeitig an den Armeniern verübte Völkermord zählt der Holocaust an den christlichen Assyrern jedoch zu jenen Verbrechen an der Menschheit, die weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Diese Lücke zu füllen, ist das Anliegen der Autorin.

Deutlich wird, daß die Assyrer Opfer der jungtürkischen nationalistischen Politik waren, in gleichem Maße entlarvend sind jedoch auch die Dokumente über die Haltung der Westmächte, Deutschlands etwa, das durch Reorganisation und Koordination der türkischen Armee entscheidend zum Aufbau der Infrastruktur beitrug, die den Holocaust erst ermöglichte. Berichte von Diplomaten, Tagebuchaufzeichnungen und Briefe von Missionaren sowie Augenzeugenberichte von überlebenden Assyrern dokumentieren eindringlich das erschütternde Ausmaß der Pogrome.

Ergänzt wird der Band durch eine kurze Religions- und Kulturgeschichte der Assyrer, eine Schilderung der Rolle des Völkerbundes und eine ausführliche Bibliographie mit Zeittafeln und Register.



Gabriele Yonan, geboren 1944, wuchs in Berlin (Ost) auf und studierte ab 1970 an der FU-Berlin (West) Iranische Philologie, Islamistik, Arabistik und Semitistik. Mit zahlreichen Publikationen hat sie das Schicksal der Assyrer bis in die Gegenwart dokumentiert, darunter auch mehrere Gutachten, die sie im Auftrag der Gesellschaft für bedrohte Völker erstellte, deren Mitglied und ehrenamtliche Mitarbeiterin sie seit langem ist. Sie verdeutlichen einen weiteren Schwerpunkt ihres Engagements: den Einsatz für assyrische Flüchtlinge in der Bundesrepublik.



HOLOCAUST AN DEN ASSYRERN BIS HEUTE
Vorwort von Tilman Zülch


Es war ein erschütterndes Bild, das für immer in mein Gedächtnis eingeprägt ist: Zusammengedrängt in der Baze-Schlucht stehen Ende August 1988 etwa 3000 Menschen, christliche Assyrer und Kurden. Die Kamera wandert über verhärmte, von Verfolgung und Entbehrung gezeichnete Flüchtlingsgesichter. Es sind Kinder aller Altersgruppen, Frauen und alte Menschen. Vor den Giftgasangriffen der irakischen Luftwaffe waren sie in Richtung Türkei geflohen. Die Grenze in greifbarer Nähe, wurden sie durch die Präsenz irakischer Panzer an der Überquerung der Grenzstraße gehindert. Nur einen Tag vor dem furchtbaren letzten Schlag der irakischen Luftwaffe hatte ein kurdischer Kameramann noch Aufnahmen dieser Flüchtlinge machen können. Sie wurden dem britischen Fernsehautor Gwynne Roberts übergeben und wurden Teil seines Films über die Giftgasverbrechen der irakischen Baath-Diktatur. Fünfzehn junge Kurden wurden auf einem nahegelegenen Hügel Augenzeugen des Angriffs der irakischen Flugzeuge. Diese mußten keinen Widerstand mehr befürchten, stießen tief hinunter, verteilten das tödliche Gas über die gesamte Schlucht. Einige Hundert, darunter viele Kinder, hatten - übenwiegend schwerverletzt - am nächsten Morgen noch gelebt. Dann war eine »Einsatzgruppe« der irakischen Armee gekommen, etwa 2000 Mann, hatten die noch Lebenden und die Toten zu Haufen zusammengetragen, mit Kerosin überschüttet und angezündet.

Christliche Assyrer leisten seit drei Jahrzehnten gemeinsam mit den Kurden Widerstand gegen eine der gegenwärtig grausamsten Diktaturen der Welt, und sie sind wie jene immer wieder deren Opfer. Eine unbekannte, aber nicht geringe Anzahl unter ihnen gehört zu den 15000 Zivilpersonen, die 1987/88 durch Giftgas in Irakisch-Kurdistan ermordet wurden. Sie sind aber auch Opfer deutscher Wirtschaftspolitik, denn bundesdeutsche Firmen waren wichtigster Partner der Baath-Diktatur beim Aufbau der irakischen Giftgasindustrie. Die bundesdeutsche Regierung unternahm in den letzten Jahren nichts Wesentliches - trotz vieler und von den Medien durchaus aufgenommener Warnungen der Gesellschaft für bedrohte Völker-, um Teile der deutschen Exportwirtschaft an ihren Untaten zu hindern. Deutsches Militär und deutsche Politik waren bereits 1915-1918 durch Führung und Koordinierung türkischen Militärs und dann durch »Verschweigen, Rechtfertigen und Leugnen der Wahrheit« involviert, als die Mehrheit der christlichen Assyrer der Türkei durch ein planmäßiges Völkermordverbrechen vernichtet wurde. Deutsche Politik hat also aus diesem Teil unserer Geschichte keinerlei Lehren gezogen. Das sollte uns Deutsche mit Trauer, aber auch mit Zorn erfüllen und uns veranlassen, um so konsequenter für die verfolgten Assyrer einzutreten. Nichts aus der Geschichte der Assyrerverfolgung gelernt haben auch der Irak, die Türkei und der Iran. Schon in den 30er Jahren wurden Tausende Assyrer im Irak massakriert. In der Türkei folgte dem Holocaust zu Beginn dieses Jahrhunderts in den 60er Jahren die Flucht der syrisch-orthodoxen Assyrer aus dem Bergland von Tur Abdin nach Westeuropa, weil sie die Diskriminierung durch muslimische Nachbarn und türkische Behörden nicht mehr ertragen konnten. Der islamische Fundamentalismus Khomeinis schließlich hat eine neue Massenflucht der assyrischen Bevölkerung in westliche Länder ausgelöst. Dazugelernt hat allein die kurdische Freiheitsbewegung - sei es im Irak, im Iran oder in einzelnen Exilparteien -, die als Vertreter eines verfolgten Volkes die Assyrer als Partner akzeptierte. Sie zog somit Konsequenzen aus der Beteiligung kurdischer Stämme am Genocid an den Assyrern.
Einigermaßen geschützt nur in Syrien, sonst überall verfolgt und mit physischer Vernichtung konfrontiert, versammelt sich das assyrische Volk im westlichen Exil, bildet in der Diaspora Gemeinden und Institutionen von Kanada bis Argentinien, von Schweden bis Australien. Die mehrtausendjährige Geschichte eines Volkes, das viele Jahrhunderte vor Arabern und Türken im Nahen Osten ansässig war, droht zu erlöschen. Mit ihm würde auch das Aramäische, eine uralte semitische Sprache, die Muttersprache Jesu, untergehen. Deshalb sollten die Freunde der Assyrer nicht nur Menschenrechtsverletzungen verurteilen, nicht nur für assyrische Flüchtlinge eintreten, sondern darüber hinaus die ganze Vielfalt der kulturellen, sprachlichen und kirchlichen Initiativen der Assyrer im Exil unterstützen.* Die atemberaubenden Veränderungen in Osteuropa vom Baltikum über Ungarn bis Slowenien hätte vor wenigen Jahren noch kaum jemand für möglich gehalten. Auch die verkrusteten Diktaturen des Nahen Osten werden eines Tages fallen. Die ersehnte Heimstätte der aramäisch-sprachigen Christen, der Assyrer, in einem Teil ihres alten Obermesopotamien könnte dann Wirklichkeit werden. Auch deshalb pflegen die Assyrer auch im Exil ihre Sprache und Identität - auch in der Bundesrepublik, in der Schweiz und in Österreich.



*Zu den vier assyrischen (nach dem alten Syrien, nicht dem heutigen arabischen Staat auch »syrisch« genannten) Kirchen gehören die »alte Kirche des Ostens'’ (nestorianisch), die »Kirche von Antiochien« (jakobitisch oder syrisch-orthodox), die chaldäische und die syrisch-katholische Kirche. Sie nennen die Assyrer zum Teil-nach der Sprache - auch Aramäer.




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