VORWORT
Das vorliegende Buch ist vor einigen Monaten in Tschechien veröffentlich worden. Ihm vorausgegangen war ein massiver, Jahre andauernder öffentlicher Protest von vielen Bürgerinnen und Bürgern - u. a. Schriftsteller. Künstler und Politiker - die darauf drängten, dass das Strafverfahren gegen Dr. Yekta Uzunoglu endlich sein rechtlich formelles Ende findet. Am 31.07.2007 erfolgte dann sein Freispruch nach fast 13 Jahren Verfahrendauer mit 2 1/2 Jahren Haft.
Der Prozess macht deutlich, in welchem Umfang in Tschechien, aber sicherlich auch in vielen anderen Ländern des ehemaligen Ostblocks, es eine Kontinuität der handelnden Personen, ihrer Denk-und Handlungsweisen gibt. Neu ist das Interesse und die Möglichkeit schnell viel Geld zu verdienen und dabei rücksichtslos auch alte Seilschaften zu nutzen. Demokratisch gewählte Politiker sind eine Hoffnung. Oft werden sie aber nur politisch überleben, wenn sie den bisherigen Strukturen nicht zu gefährlich werden.
Die vorliegende Veröffentlichung soll mit dazu beitragen, dass auch in Deutschland klar wird, dass der Kampf um Demokratie und Rechtstaatlichkeit sich nicht mit dem Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft erledigt hat. So erfolgreich im Ergebnis der Druck der Öffentlichkeit im Fall Uzunoglu war. so muss doch davon ausgegangen werden, dass es viele unaufgeklärte Fälle staatlicher Willkür auch in der Nachwendezeit gibt.
Die Zeit läuft nicht notwendigerweise zum Besseren. Je reicher und mächtiger die Menschen sind, die rücksichtslos auch mit „alten Methoden“ kämpfen, desto weniger besteht eine Chance zu einer wirklich rechtstaatlichen Demokratie. Die Entwicklung in Russland mit offensichtlich legitimierten Auftragsmorden gegenüber Konkurrenten und demokratischen Journalisten sollte uns hierbei eine Warnung sein.
Ich habe Dr. Yekta Uzunoglu seit Jahrzehnten begleitet. Ich erinnere mich daran, wie er mittellos in Bonn Anfang der 80-er Jahre auftauchte, um in Deutschland ein „Kurdisches Institut“ zu gründen. Ich gehörte zu den Gründungsmitgliedern. Er schaffte es in kürzester Zeit einen respektablen Vorstand aus Schriftstellern, Bundestagsabgeordneten und Gewerkschaftlern zusammen zu stellen. Das Institut sollte angesichts der Verfolgung der Kurden in vielen Staaten dabei helfen, zumindest in Deutschland ihre Nationalität, Kultur und Sprache anzuerkennen. So sollte den Kurden vermittelt werden, dass sie in Deutschland akzeptiert sind und eine Heimat finden können.
Das Institut hat zahlreiche Projekte umgesetzt u. a. erstmalig eine kurdische Grammatik vorgelegt, eine erste Bibelübersetzung ins Kurdische und zahllose literarische Werke herausgegeben, Ausstellungen und Konzerte veranstaltet. Die erfolgreiche Arbeit des Instituts war offensichtlich anderen radikaleren kurdischen Organisationen ein Dorn im Auge. Sie haben versucht - im Ergebnis auch erfolgreich - das Kurdische Institut unter ihren Einfluss zu bringen. Damit war das Ende des Instituts eingeläutet.
Später habe ich dann Dr. Yekta Uzunoglu im Gefängnis in Prag besucht und ihm im Auftrag des Kölner Regierungspräsidenten Dr. Antwerpes die Deutsche Einbürgerungsurkunde überreicht. Sie bildete einen gewissen Schutzschild. Obwohl es fast 13 Jahre bis zu seinem Freispruch gedauert hat, ist die Auseinandersetzung noch nicht zu ende. Zurzeit geht es um seine Entschädigung für seine Haftzeit und seine Unternehmen, die er während der Haft nicht weiterführen konnte.
Auch diese Auseinandersetzung hat wieder „kafkaische“ Ausmaße. Zu hoffen ist, dass der tschechische Staat ein Einsehen hat. Viele tschechische Bürgerinnen und Bürger haben sich für Dr. Yekta Uzunoglu eingesetzt. Sie stehen auch jetzt an seiner Seite. Ich hoffe, dass dieses Buch dazu beiträgt, dass auch im deutsprachigen Raum die „Affäre Uzunoglu“ bekannt wird und viele Menschen dazu beitragen, dass rechtstaatliche Prinzipien überall in Europa durchgesetzt werden.
Bernhard von Grünberg Vorsitzender Aktion Courage
Einleitung
Ich habe das Buch, das Sie gerade in der Hand halten, zu Ende gelesen - erschüttert im Innersten meines Ichs. Dabei hatte ich mir niemals Illusionen darübergemacht, dass der Übergang von der kommunistischen Totalität zur demokratischen, freien Gesellschaft ein leichter und einfacher Prozess werden könnte. Ich konnte mir jedoch nicht vorstellen, dass sich auch noch viele Jahre nach der sanften Revolution in den Gefängnissen und auf den Polizeiwachen unseres Landes so erschütternde Dinge abspielen könnten, wie sie in diesem Buch beschrieben werden. Leider muss ich hinzufügen, dass vieles darauf hindeutet, dass sic auch heute noch passieren. Das als Buch veröffentlichte Interview mit dem kurdischen Arzt, Unternehmer und Publizisten Dr. nied. Yekta Uzunoglu muss jeden anständigen und redlichen Menschen erschüttern. Es ist ein Buch über ein großes Versagen von uns allen: Bei mir beginnend bis hin zu den Präsidenten Havel und Klaus, allen Regierungen der Tschechoslowakei und der Tschechischen Republik, alle ihre Premierminister, alle ihre Innen- und Justizminister, alle Vorsitzende des Obersten Gerichts und Generalstaatsanwälte und schließlich auch alle Parlamentsabgeordnete und Senatoren. Denn diese tragen allesamt eine größere oder kleinere politische Verantwortung dafür, was so lebendig in diesem Buch beschrieben wird. Es geht auch um das Versagen unserer Zivilgesellschaft. Das Tschechische Helsinki-Komitee und eine Reihe weiterer Organisationen protestierten energisch und unermüdlich gegen die Polizeiwillkür - leider ergebnislos. Wenn ich mir heute im Rückblick auf die vergangenen dreizehn Jahre ihre Bemühungen vor Augen führe, dann muss ich leider feststellen, dass sie in ihren Protesten nicht viel erfolgreicher waren als die Proteste ähnlicher Organisationen vor der sanften Revolution oder vor der Perestrojka in der UdSSR.
…..
|