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Verbrecher Staat


Auteurs : | | | |
Éditeur : Zambon Verlag Date & Lieu : 1998, Frnakfurt
Préface : Pages : 296
Traduction : ISBN : 3-88975-063-X
Langue : AllemandFormat : 140x215 mm
Code FIKP : Liv. Ger. Cel. Ver. N° 4058Thème : Politique

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Verbrecher Staat

Verbrecher Staat

Selahattin Celik

Zambon

In diesem Buch werden Sie die Geschichte der Terrorbanden des türkischen Staates kennenlernen. Sie werden Genaueres über die Todesschwadronen, die Verstrickung der staatlichen Organe sowie namhafter Politiker in die Mafia, ihre Machenschaften von Drogenhandel bis Schutzgelderpressung und politischen Massenmord vor allem in Kurdistan erfahren. Das Buch stellt ihre Praktiken sowie ihre inneren Widersprüche und Machtkämpfe dar. Darüber hinaus zeigt es auf, wie nach dem „Susurluk“-Skandal eine wirkliche Aufarbeitung dieser Verbrechen umgangen wurde und warum der Staat und die Gesellschaft deshalb zu neuen Erschütterungen verurteilt sind.


Selahattin Celik - Journalist und Schriftsteller. Er studierte Geologie an der Hacettepe Universität in Ankara. 1988-1990 saß er in Deutschland wegen seiner politischen Tätigkeit im Gefängnis. Er schrieb für Serxwebun, Berxwedan, Toplumsal Dirilis, Özgür Gündem, Yeni Ülke, Özgür Ülke und Özgür Politika. Zeitweilig war er bei MED-TV beschäftigt. Buchveröffentlichungen: „Morde' an Journalisten in Kurdistan“ (1993 deutsch und englisch), „Teure Wahrheit“ (1994 deutsch), „Die Geschichte des 15. August“ (1995 deutsch), „Todesmaschinerie die türkische Konterguerilla“ (1995 türkisch) sowie das Interviewbuch „Ich kann jetzt auch laufen“ (1993 deutsch, 1997 griechisch).



VORWORT

Im Allgemeinen sind die kurdische Frage und der blutige Krieg in Kurdistan nicht nur den an diesem Thema besonders interessierten Menschen, sondern der gesamten Weltöffentlichkeit bekannt. Aber nur wenige wissen Genaueres über die „Todesschwadronen" des türkischen Staates und ihre absolut „meisterhaften“ sadistischen Methoden, die einen in die Grausamkeit des Mittelalters zurückversetzen.

Das Volk in Kurdistan hat keine Zweifel daran, daß hinter diesen Mörderbanden direkt der Staat steckt. Schließlich werden diese Morde ganz offen begangen, die Mörder steigen aus Polizeiautos oder kommen aus Militärgebäuden. Wenn sie Menschen verschleppen, zeigen sie oft Polizeiausweise, um sie mitzunehmen. Die Leichen dieser Menschen werden dann oft in der Nähe von Militärstationen gefunden; viele bleiben aber einfach für immer verschwunden.

Das Leiden des kurdischen Volkes, des Opfers dieses Krieges, wird mittlerweile auch in die Türkei zur Kenntnis genommen. Inzwischen wird der türkische Staat wegen den Morden der „Todesschwadronen“ auch von Menschenrechtsorganisationen kritisiert und verurteilt. Das ist allerdings nur der kontinuierlichen und unermüdlichen Kleinarbeit der Kurden zu verdanken, die Öffentlichkeit informieren und aufrufen, etwas dagegen zu tun. Aber bis heute hatte noch niemand, noch keine Organisation die Kraft dazu, diese tausende von Morden, die das Ausmaß eines Völkermordes annehmen, zu stoppen.

Im Zusammenhang mit dem „Gladio-Skandal“ in den 90 er Jahren in Westeuropa haben politische Organisationen und zu diesem Thema arbeitende Wissenschaftler die türkischen Todesschwadronen als „türkische Gladio“, als „eine unkontrollierbare Geheimorganisation innerhalb des Staates“ definiert. Diese Feststellung ist zwar teilweise richtig, aber doch nicht ausreichend, denn sie führt - gewollt oder ungewollt - zu einer gefährlichen
Fehler Satzung: Es handelt sich nicht um ein „außer Kontrolle“ geratenes Organ, sondern um den Staat selbst, der mit all seinen Sicherheitsorganen daran beteiligt ist. Auch die Gesetze, die Presse und die staatstragenden politischen Parteien haben dabei eine unterstützende Funktion. Es handelt sich also um eine gezielte Staatspolitik und entsprechende Organe, die sie umsetzen.

In der Türkei ist es verboten, über dieses Thema zu schreiben. Kurdische Journalisten und Politiker haben dieses Thema in die Öffentlichkeit gebracht und wurden deshalb zur Zielscheibe von staatlichen Angriffen; viele wurden ermordet, ihre Zeitungen, Parteien oder Vereine verboten.

Ich habe in dieser Phase des Verbots der Auseinandersetzung mit diesem Thema über einen sehr langen Zeitraum alle Fakten gesammelt, die zu erhalten waren. Während meiner Recherchearbeit habe ich mit hunderten Angehörigen der Opfer gesprochen, Beweise und Belege gesammelt. Das Ergebnis meiner Recherchearbeit habe ich 1994 in meinem Buch „Todesmaschinerie, die türkischen Konterguerillas“ zusammengefasst. Das Buch konnte in der Türkei nicht gedruckt werden, so dass ich es 1995 in Deutschland in türkischer Sprache veröffentlichte. Die Auflage von 7.000 Exemplaren war in kurzer Zeit vergriffen. Ich ließ das Buch in andere Sprachen übersetzen, um die Weltöffentlichkeit zu erreichen. Doch aufgrund meiner sehr begrenzten materiellen Möglichkeiten und dem leider mangelnden Interesse, das Verlage und politische Organisationen, an die ich mich mit diesem wichtigen Anliegen gewandt habe, daran gezeigt haben, konnte die 1998 in ergänzter Fassung fertiggestellte deutsche und englische Übersetzung immer noch nicht gedruckt werden.

Mein Werk erfüllte aber für Wissenschaftler und Organisationen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, eine wichtige Funktion als Quelle. Damit habe ich wenigstens eines meiner wichtigen Ziele erreicht. Die zwei wichtigsten Feststellungen, zu denen ich in meinem Buch gelangte, sind folgende: Erstens, dass der türkische Staat sich in eine Mörder- und Verbrecherorganisation verwandelt hat und zweitens, dass das Buch eine Anklageschrift gegen den vom türkischen Staat begangenen Völkermord geworden ist.

Mit dem inzwischen berühmt gewordenen Unfall bei Susurluk am 3- November 1996, der in den türkischen Medien breiten Raum einnimmt, waren die Verbotsschranken, über dieses Thema zu schreiben und zu diskutieren auf einmal „aufgehoben“. Zeitungsartikel, Fernsehsendungen und Bücher über dieses Thema schossen wie Pilze aus dem Boden. Ob kontrolliert oder unkontrolliert, ob geplant oder ungeplant, die Pressefreiheit in der Türkei erlebte nach dem „Susurluk-Unfall“ eine kurze Blütezeit.

Dahinter steckte ein perfides Ziel: Trotz aller Proteste, Berichte und Bücher wollte sich der Staat nur von seinen Morden reinwaschen; er musste einige Sündenböcke in der Öffentlichkeit nennen, um seine eigene Verantwortung wegzuschieben. Es wurde zwar über alles recherchiert und berichtet, aber niemand hat danach gefragt, ob und wie den Opfern Wiedergutmachung widerfährt. Das Opfer ist wieder einmal das kurdische Volk.

So habe ich mich entschlossen, das Buch, das Sie hier in den Händen halten, zu veröffentlichen, um allen Verdrehungen zum Thema „Susurluk“-Unfall entgegenzutreten. Dabei habe ich diesmal die Erklärungen der türkischen Presse und Politiker als Grundlage genommen, die einem Eingeständnis ihrer Verbindung mit der Todesmaschinerie gleichkommen.

Einige meiner Freunde, die die Ereignisse ebenfalls genau verfolgen, selbst betroffen und im gewissen Sinne Opfer von ihnen sind, haben das Buch mit eigenen Beiträgen unterstützt.
Hatip Diele, ehemaliger Vorsitzender der später verbotenen DEP, hat aus dem Gefängnis in Ankara einen Beitrag zu den Angriffen auf seine Partei geschrieben. Ragip Duran, ein in der Türkei bekannter Journalist, und einer der wenigen, die dem Gedanken der Meinungs- und Pressefreiheit verbunden sind, schrieb über die Rolle der Presse im Zusammenhang mit diesen Ereignissen. In diesen Tagen (17. Juni 1998) wurde Herr Duran festgenommen. Sein „Verbrechen“: er hatte ein Interview mit dem PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan durchgeführt.
Das brachte ihm 7 Monate Gefängnis wegen der „Straftat Separatismus“ ein. Mein Freund Riza Dogan, mit dem ich schon seit Langem zu vielen Themen zusammenarbeite, hat über die Aktivitäten des türkischen Staates im Drogenhandel geschrieben. Mein Buch „Cete Devlet (Susurluk Dosyasi)“ „Verbrecher Staat (Susurluk Bericht)“ erschien im August 1997 in türkischer Sprache. Die 4.000 Exemplare waren innerhalb von zwei bis drei Monaten vergriffen.
Es erschien ein Buch nach dem anderen zu diesem Thema. Sie waren alle innerhalb kürzester Zeit vergriffen, manche wurden mehrmals aufgelegt. Das ist ein deutliches Zeichen dafür, wie sensibilisiert und interessiert die Öffentlichkeit an der Diskussion um Susurluk und den Konterguerillaapparat ist, der die Zukunft der Gesellschaft so stark beeinflusst.
In der Zwischenzeit kam es in der Türkei zur Veränderung der Regierungszusammensetzung. Auf Intervention des Generalstabs zerbrach die zu Beginn der Susurluk-Debatte an der Macht gewesene Koalitionsregierung der RP (Wohlfahrtspartei) und der DYP (Partei des Rechten Weges). An ihre Stelle trat 1997 eine Koalitionsregierung der Parteien ANAP (Mutterlandspartei), DSP (Demokratische Linke Partei) und DTP (Demokratische Partei der Türkei); die Kommission wurde unterstützt von der CHP (Republikanische Volkspartei). Mesut Yilmaz, Ministerpräsident dieser Regierung, setzte den Staatsanwalt Kutlu Savas mit Sondervollmachten ausgestattet als Vorsitzenden der Untersuchungskommission des Ministerpräsidentenamtes zur Untersuchung der Vorfälle im Zusammenhang mit Susurluk ein. Im Januar 1998 wurden einige Teile seines Berichts veröffentlicht, andere wurden zum „Staatsgeheimnis“ deklariert und unterliegen der Zensur.

Die Feststellung Kutlu Savas’ „Die Banden haben sich im Südosten (also in Kurdistan; d. Autor) entwickelt und sind auf die Zentren übergesprungen“ in seinem Bericht kann als deutliches Eingeständnis gewertet werden, dass die Bandenbildung im Staat mit der kurdischen Frage verknüpft ist. Trotz dieses Eingeständnisses versucht der Bericht jedoch die Vorfälle zu verschleiern und die wirklich Verantwortlichen zu schützen und nur einige in der Öffentlichkeit ohnehin schon bekannt gewordene Personen zu belasten. Die an der neuen Koalitionsregierung beteiligten Parteien hatten vorher alle behauptet, die „Susurluk-Vorfälle aufklären“ zu wollen, doch seit sie an der Regierung sind, ist dieses Versprechen vergessen.

Das Volk wurde also wieder einmal betrogen, aber es hat nicht aufgegeben, die Aufklärung der Vorfälle zu fordern. Als Antwort auf diese Forderung habe ich die zweite, mit den neuen Entwicklungen ergänzte Auflage dieses Buches vorbereitet. Ich habe wichtige Fakten aus dem „Susurluk-Bericht“ Kutlu Savas’ bei den jeweiligen Themen ergänzt, aber auch die Notwendigkeit gesehen, andere Einschätzungen als die aus dem Bericht anzufügen. Diesen Teil hat Sedat Yurtdas, ehemaliger Abgeordneter der inzwischen verbotenen Partei DEP und Funktionär der HADEP, geschrieben.

Dieses Buch ist im Mai 1998 in griechischer Übersetzung erschienen und inzwischen auch in englischer Übersetzung druckfertig.
Ich verfolge mit dieser Arbeit das Ziel, die Struktur des türkischen Staates, die von ihm begangenen Morde und anderen Verbrechen aufzudecken, anzuklagen, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, um etwas dazu beizutragen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden, um zu verhindern, dass noch mehr unschuldige Menschen zum Opfer werden. Dabei gehe ich davon aus, dass das nicht nur die Angelegenheit von Kurden und Türken ist, sondern alle Menschen interessiert und betrifft. Es geht um die Menschenrechte und um die Rechte eines Volkes.

Juni 1998
Selahattin Celik



Verbrecher Staat

Der historische Ursprung der Terrorbanden

Das türkische Volk war in der Geschichte schon immer eng mit dem Staat verbunden und ist dies auch heute noch. Auch die traditionell enge Bindung des Volkes an die Armee besteht weiter. Der Staat hat starken Einfluss auf das Volk und die Armee ist im Staat das bestimmende Organ. In der ganzen Geschichte der Türkischen Republik sowie ihrer Vorläufer wurde der Staat immer von der Armee geführt. Für die Türkei galt stets die Formel Staat = Armee. Aus diesem Grunde ist es bei der Recherche der Ereignisse um die Terrorbanden und die Degeneration der staatlichen Institutionen wichtig, die Rolle der Armee in diesem Rahmen zu bewerten.

Die türkische Republik ist nicht - wie die meisten Republiken Europas - durch Volksaufstände bzw. Aufstände der Bourgeoisie gegen die Feudalherrschaft entstanden. Somit konnte weder ein starkes demokratisches Bewusstsein in der Gesellschaft entstehen, noch ein bürgerliches Justizsystem geschaffen werden. Aus diesem Grund konnten weder die Gesellschaft noch das Justizsystem den Phänomenen, die ihre Grundlagen erschütterten, entgegentreten.

Der türkische Staat hat schon immer andere Völker ihrer Reichtümer beraubt und ihre Länder besetzt. Das galt sowohl bei den Seldschuken und Osmanen, als auch in der gegenwärtigen Ära der türkischen Republik. Doch seit der Gründung der Türkischen Republik wurde der Rassismus der Herrschenden zu einer die ganze Gesellschaft durchsetzenden Geisteshaltung. Heute richtet sich diese Haltung in erster Linie gegen das kurdische Volk: Kurdistan wurde Schauplatz des türkischen Rassismus und anderer Unterdrückungsmaßnahmen.

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