VORWORT
Hiermit lege ich die erweiterte und aktualisierte 3. Auflage unseres politischen und praktischen Türkei-Reisebuches vor.
Gegenüber den ersten beiden Auflagen sind die Aufsätze „Geschichte der Türken“, „Das türkische Bildungswesen“, „Die koloniale Abhängigkeit der Massenmedien“, „Der politische Film“, „Zur Musikkultur der Türkei“, und der Teil „Die Bundesrepublik und die Türkei“ neu hinzugekommen. Außerdem werden auf den Wunsch vieler Leser, nun auch die bedeutendsten archäologischen und kunsthistorischen Sehenswürdigkeiten der Türkei ausführlich beschrieben. Dadurch ist der Teil Praktische Reisetips nicht nur aktualisiert, sondern auch stark erweitert worden.
Aus politischen Gründen muß unser Buch in Zukunft in zwei Bänden erscheinen. Der erste Band bietet einen Überblick über Politik, Ökonomie und Kultur und ist als solcher für jede/jeden von Interesse, die/der sich für das Thema Türkei und die Situation der Türken in der Bundesrepublik Deutschland interessiert. Da sich Band I von einer kritischen Position mit den in der Türkei zur Zeit herrschenden politischen Verhältnissen auseinandersetzt und die Kurdenfrage nicht unterschlägt, was in der Türkei strafrechtlich verfolgt wird, empfehle ich, diesen Band nur zur Reisevorbereitung zu verwenden - also: zu Hause zu lassen.
Band II enthält im wesentlichen Themen und Tips, die im engeren Zusammenhang mit einer Türkeireise relevant sind. Während der Band I unabhängig von Band II gelesen werden kann, ist der Band II gemäß meiner Konzeption eines gesellschaftskritischen Reisebuches ohne die Lektüre von Band I bzw. entsprechende Vorkenntnisse nicht sinnvoll.
Zum Schluß möchte ich allen danken, die als Autoren zu diesem Buch beigetragen haben. Müßig zu sagen, daß die Verantwortung für die einzelnen Beiträge bei den Autoren liegt und ich lediglich für den gesamten Inhalt des Buches verantwortlich zeichne. Des weiteren danke ich Dietrich Klitzke, Willi Herbert, Ellen Imhof und Liesel Burk, die mir wertvolle Ratschläge gaben und mühselige Korrekturarbeiten auf sich nahmen.
Berlin, 15. November 1983 Eberhard Schmitt
Vorwort
Gegenüber der 3. Auflage wurden die politische und wirtschaftliche Entwicklung der Türkei bis zum Frühjahr 1985 fortgeschrieben, die praktischen Reisetips aktualisiert und ein Reiseteil Nordzypem in das Buch neu aufgenommen. Ein besonderer Dank geht an Claudia Maul und Holger Backhaus, die den Teil Nordzypem verfaßt und viele Daten zur Aktualisierung des reisepraktischen Teils beigetragen haben.
Eberhard Schmitt
Teil I: Politik, Ökonomie, Gesellschaft Eberhard Schmitt Geschichte der Türken
Das ist unser Land
Dies Land, das dem Kopf einer Stute gleicht, die im Galopp aus dem fernen Asien kam, um ins Mittelmeer einzutauchen, das ist unser Land.
Nackte Füße, blutige Handgelenke, zusammengepreßte Zähne und dazu ein Land wie ein kostbarer Teppich aus Seide, das ist unsere Hölle, das ist unser Paradies.
Daß die Tore sich schließen, die anderen gehören, und sich nie wieder auftun mögen, daß endlich die Menschen nicht mehr die Sklaven der Menschen sind, das ist unsere Forderung!
Zu leben, allein und frei wie der Baum brüderlich unter den Bäumen des Waldes, das ist unser Traum!
Nazim Hikmet
Entstehung und Aufstieg des Osmanischen Reiches
Seit dem 8. Jh. drangen verschiedene Turkstämme, aus Zentralasien kommend, über den Iran in den Osten der heutigen Türkei vor.2
Einer dieser Turkstämme, dessen Anführer Selijuk (Seldschuk) 955 Buchara erobert hatte, besiegt 1071 bei Malazgirt in Ostanatolien das byzantinische Heer und errichtete in Zentralanatolien den seldschukischen Staat Rum (Hauptstadt ab 1116 Konya). Die Türken kamen aus einer Region am Rande des chinesischen Kulturkreises und brachten von dort die Einrichtung des Harems, die Pagenschule und die Verwaltungshierarchie des Beamtentums mit. Das letztere setzte sich zusammen aus den „Herren der Felder“, dem Verwaltungsapparat, den „Herren des Schwertes“, einem rangmäßig abgestuften Offizierscorps und den „Herren der Weisheit“, den „Ulemas“ (Koranlehrern), Richtern und Ministem, eine den chinesischen Mandarinen vergleichbare Gruppe. Die türkischen Stämme waren nur oberflächlich islamisiert.1 Im 13. Jh. wurde das Seldschukenreich von den Mongolen zerstört. Als die Mongolen nach nur wenigen Jahren Herrschaft wieder abzogen, etablierten sich auf dem Boden des ehemaligen Seldschukenreiches einige türkische Kleinstaaten. Diese Kleinstaaten „erweiterten“ ihr Territorium während der 2. Hälfte des 13. Jhs. auf Kosten des christlich-byzantinischen Reiches fast bis vor die Tore von Konstantinopel (Istanbul). Unter den türkischen Stammes-Emiraten „setzte“ sich im Laufe des 14. Jhs. in blutigen Fehden und Kriegen der westanatolische Turkstamm der Osmanen durch und zwang die anderen unter seine Herrschaft. Das war der Beginn des Osmanischen Reiches.
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