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Die Kurden: Geschichte, Kultur und Überlebenskampf


Auteurs : |
Éditeur : Umschau Date & Lieu : 1987, Frankfurt
Préface : Pages : 192
Traduction : ISBN : 3-524-69067-X
Langue : AllemandFormat : 160x235 mm
Code FIKP : Liv. Ger. Dah. Kur. N° 1138Thème : Général

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Die Kurden: Geschichte, Kultur und Überlebenskampf


Die Kurden: Geschichte, Kultur und Überlebenskampf

Zühdi Al-Dahoodi

Umschau

Das größte Volk der Erde — 20 Millionen Menschen — ohne eigenen Staat. Schätzungsweise leben in Kurdistan, das sich über die Staatsgebiete der Türkei, des Iran, des Irak, Syriens und der Sowjetunion ausdehnt, rund 20 Millionen Kurden, hinzu kommt die Zahl der in China, Indien, Libanon und Afghanistan lebenden kurdischen Gruppen. Der Autor Zuhdi Al-Dahoodi bringt uns diese Menschen näher, vermittelt, woher sie kommen, welche Sprache sie sprechen, welchen Religionsgemeinschaften sie angehören.
Wir haben uns an Zeitungsmeldungen gewöhnt, in denen von der Bombardierung kurdischer Dörfer, von Strafexpeditionen und von der Hinrichtung kurdischer Aufständischer berichtet wird, zunehmend aber auch werden die Kurden selbst aktiv. Hintergründe der ungelösten kurdischen Frage werden offengelegt. Die historische, geologische und strategische Bedeutung der kurdischen Region, die Interessen der Großmächte, die Vielzahl der kurdischen Bewegungen — all diese Faktoren tragen seit Beginn des 19. Jahrhunderts dazu bei, daß die Kurden bisher keine Autonomie erlangen konnten. Al-Dahoodi erzählt uns von einem traditionsreichen Volk, das sich in seinem Überlebenskampf den Stolz bewahrt hat.


Zuhdi Al-Dahoodi, 1940 in Tuz, Irak, geboren. 1961—63 Grundschullehrer in Irak, 1967 — 72 Studium an der Fakultät für Philosophie und Geschichtswissenschaft an der Universität Leipzig, 1976 Promotion zum Dr. phil. Lehrtätigkeit an den Universitäten Mosul, Irak, Benghazi, Libyen und heute in Leipzig. Zahlreiche Veröffentlichungen, darunter „Der Orkan“, Erzählungen, 1962; „Ein Mann überall", Roman, 1974; „Die Lilien, die nicht sterben“, Erzählungen, 1978, und „Rückkehr in den Schatten“, Roman, 1987.



VORBEMERKUNG

Kurdistan und die Kurden - dieses Thema hat nie an Aktualität verloren, im Gegenteil: Wenn auch die Aufstände und Erhebungen in Kurdistan einer nach dem anderen im Blute erstickt wurden, so schwelte doch die Glut unter der Asche weiter, und trotz einer relativen Erstarrung erlebte der Beginn der sechziger Jahre einen neuen Aufschwung in der kurdischen Bewegung. Diesmal war es die Revolution in Irakisch-Kurdistan, die von 1961-1975 andauerte und von einem langen, nicht geradlinigen Weg gekennzeichnet war. Der damaligen Regierung im Irak gelang es schließlich, die Aufständischen einzukreisen und nach Verhandlungen mit dem Schah von Iran ihre bewaffneten Formationen zu zerschlagen, indem unter anderem die Fehler der Führung der Bewegung ausgenutzt wurden, was zum Ersticken dieser Bewegung und zur Verhinderung ihres Fortbestehens führte.

Trotzdem erwuchs die kurdische Bewegung, nachdem sie sich reorganisiert hatte, im Irak zu einer Massenkraft. 1976 wurden neben der »Demokratischen Partei Kurdistans«, die fast allein die nationale kurdische Bewegung im Irak geführt und die Lasten und Fehlschläge getragen hatte, eine Reihe neuer Parteien gegründet. Es entstanden die »Patriotische Union Kurdistans«, die »Sozialistische Partei Kurdistans/Irak« und die »Demokratische Volkspartei Kurdistans«.
Nach der großen nationalen Erhebung des iranischen Volkes, durch welche das korrupte und gefürchtete Schah-Regime gestürzt wurde, konnten die nationalen kurdischen Parteien und Organisationen, darunter die »Demokratische Partei Kurdistans/Iran«, ebenso wie die anderen nationalen, fortschrittlichen iranischen Parteien, ihre politische Massenarbeit anfangs wiederaufnehmen. Den neuen islamischen Machthabern wurde die friedliche demokratische Lösung des Kurdenproblems auf der Grundlage der Autonomie im Rahmen der Islamischen Republik Iran vorgetragen. Jedoch wurde bedauerlicherweise nichts davon verwirklicht, wodurch die Regierung in Teheran in eine bewaffnete Konfrontation mit der nationalen kurdischen Bewegung im Iran geriet. Damit wurde natürlich auch die iranische Revolution geschwächt. Es bestünde immer noch die Möglichkeit, dieses Problem durch die Gewährung der Autonomie im Rahmen der Islamischen Republik Iran zu lösen und die Potenzen des kurdischen Volkes zu nutzen, sollten die kurdischen Führer und ihre Anhängerschaft diese Lösung wünschen. In der Türkei konnte sich die nationale kurdische Bewegung nach der Niederschlagung des Aufstandes von Darsim (1937) trotz einer chauvinistischen Türkisierungspolitik und der Unterdrückung jeglicher Form der politischen Organisation - sowohl offen als auch illegal - von neuem erheben. Es entstanden nationale und fortschrittliche kurdische Parteien wie die »Sozialistische Partei Kurdistans«, die »Arbeiterpartei Kurdistans«, die »Partei Al-lai Ruz Kari« und die alte »Demokratische Partei Kurdistans« neben anderen politischen Organisationen unterschiedlicher Größe.

Die Programme dieser Parteien betonen sowohl die Forderung nach Demokratie für die Türkei als auch das Selbstbestimmungsrecht für das kurdische Volk des Landes und beinhalten den Kampf für Frieden und sozialen Fortschritt.

Der sinnlose Vernichtungskrieg zwischen Irak und Iran, welcher bis jetzt eine Million Menschenleben und 500 Milliarden Dollar auf beiden Seiten gekostet hat, ist - historisch gesehen - ein Ergebnis des nicht gelösten kurdischen Problems. Die Geschichte wiederholt sich, jedoch auf tragische Weise. Beide Seiten setzen in dem bereits sieben Jahre andauernden Krieg die kriegerischen Auseinandersetzungen, die seit dem 15. Jahrhundert zwischen den Türken und Persern um Kurdistan geführt werden, fort.

Der in eine Sackgasse geratene, oft vergessene Krieg kann gefährliche Überraschungen bringen, welche die gesamte Situation im Nahen Osten verändern würden. Im Zusammenhang mit den US-Waffenlieferungen an Iran, der Unzufriedenheit der Massen mit beiden Regierungen, den neuen Kräfteverhältnissen in Irakisch-Kurdistan (offene Zusammenarbeit der beiden kurdischen Parteien »Demokratische Partei Kurdistans« und »Patriotische Union Kurdistans« mit den iranischen Truppen), ist festzustellen, daß sich das Kräfteverhältnis zugunsten Irans verändert hat. Tatsächlich hat Iran kürzlich neue strategische Gebiete sowohl im Süden des Irak als auch in Irakisch-Kurdistan erobert.

Die Türkei hat dem Iran ein Zeichen gegeben, falls er weitere'Gebiete Irakisch-Kurdistans erobere, werde die Türkei das Gebiet um Mosul besetzen. Damit würde Kurdistan noch einmal die Beute beider Staaten werden und seine Parteien wiederum zum Spielball. Der Kampf um Kurdistan ist also erneut entfacht.

Seit Jahrhunderten leiden die Kurden unter Mord, Deportation, Kerker, Folter, Hunger und Unterdrückung. Dies alles sind - im Sprachgebrauch der sogenannten hochzivilisierten Staaten - völkerrechtswidrige Maßnahmen.

Doch obwohl diese »Maßnahmen« auch in der Gegenwart traurige Realität sind, nimmt die Weltöffentlichkeit kaum Notiz davon, geschweige denn interveniert sie dagegen.

Daran haben die weltumspannenden Kommunikationsmittel und Medien keinen geringen Anteil; Kurdistan scheint nicht von öffentlichem Interesse zu sein. Aber hieße das nicht letztendlich, daß all die genannten Völkerrechtswidrigkeiten schon selbstverständlich zu unserem Alltag gehören?!

Mit der vorliegenden Publikation will und muß ich gegen diese Haltung ankämpfen, mit der Waffe der Vernunft und des Wortes. Ebensosehr hoffe ich, daß sie der Vernunft dient. Und der Solidarität mit meinem Volk.

In diesem Zusammenhang möchte ich Herrn Bruno Back und allen anderen Freunden, darunter Herrn Volkmar Röhrig, D. Barsani, I. Yasiri und J. Dabbag für das Zustandekommen des Buches danken.

Markkleeberg, im Oktober 1987
Zuhdi Al-Dahoodi



I. Kurdistan und die Kurden

Die ewige, grausame Wahrheit

»Aus den Tälern Kurdistans ist der Qualm brennender Dörfer und der Geruch von Strömen vergossenen Blutes zum Himmel gestiegen. Wir befinden uns in einem Land, in dem Leben, Freiheit und Eigentum mehr gefährdet sind als anderswo«, schrieb Karl May vor annähernd einhundert Jahren, nachzulesen in seinem Roman »Durchs wilde Kurdistan«.

Wie die meisten anderen Länder und Landschaften, die der sächsische Vielschreiber vom Provinzstädtchen Radebeul aus schilderte und in denen er seine verwegenen Helden gegen Schurken aller Couleur agieren ließ, hat Karl May Kurdistan nie bereist, hat nie am nächtlichen Lagerfeuer eines gastfreundlichen Kurdenscheichs gesessen, in den Händen das unvermeidliche Glas Tschai, den starken, süßen Tee, lächelnd gereicht von schönen und unverschleierten Frauen. Nie ist er durch eine der wildromantischen Schluchten geritten, begleitet von einer ausgesuchten Schar gutbewaffneter und furchtloser Reiter auf rassigen Pferden, hin zu dem für Fremde schier unerreichbaren Schlupfwinkel eines kurdischen Bergstammes.

Doch das Erstaunliche - folgt man der Reiseroute Kara ben Nemsis, seines Helden, von Mosul am Tigris durch das geschichtsträchtige Gebiet von Gaugamela bis hin zur uralten kurdischen Siedlung Amadijah, so ist Karl Mays Romanlandschaft wahrhaftig die Landschaft Kurdistans mit seinen Bergen und Tälern, seinen Städten und Dörfern, seinen Bewohnern. Und selbst die eingangs zitierten Sätze, niedergeschrieben vor hundert Jahren, sind so wahr, als wären sie gestern geschrieben - oder vor einem Jahrtausend. Denn dies ist die ebenso grausame wie ewige Wahrheit:

Nie hat dieses Land, dieses Volk ohne Staat seinen Frieden gehabt. Von den Einfällen der räuberischen Skythen aus den kaukasischen Steppen um 700 v. Chr. über die Feldzüge Alexanders des Großen, später die Anstürme der Mongolenhorden, die Jahrhunderte währende Machtexpansion des Os-manischen Reiches, die Überfälle der Perser bis hin zur verhängnisvollen Kolonialpolitik Englands nach dem Ersten Weltkrieg und die bis in die Gegenwart reichenden Vemichtungsfeldzüge der Türkei, Irans und Iraks - immer haben kurdische Dörfer gebrannt und Ströme von Blut sind geflossen.

Sogar dann, wenn dieses Land und seine Bewohner nicht Ziel einer Aggression, einer Strafexpedition oder Ausbeutung waren - die gesamte Palette der Möglichkeiten, ein Volk in Unfreiheit zu bringen oder zu halten, ist hier exerziert worden - selbst dann hat es leiden müssen. Als der persische Kronprätendent Kyros im Jahre 401 v. Chr. mit 10 000 griechischen Söldnern gegen seinen königlichen Bruder nach Babylon marschierte, führte sie ihr Rückzug von Süden her durch kurdisches Gebiet, dann kamen die Araber oder Türken von Westen, aus dem Norden die Russen und von Osten her jagte die »Goldene Horde« der Mongolen über Kurdistan hinweg. Aus allen Himmelsrichtungen und zu allen Zeiten durchzogen fremde Heere raubend und plündernd das Land; wann immer sich die großen Mächte dieser Region gewaltige Schlachten oder auch nur Grenzstreitigkeiten lieferten, stets geschah das auf dem Rücken des kurdischen Volkes. Und seit Jahren und gerade wieder geschieht dies in einem der erbarmungslosesten und blutigsten Kriege der Gegenwart, im Golfkrieg zwischen Iran und Irak.
Auch die vage Hoffnung oder taktische Berechnung kurdischer Fürsten und Stammesführer, Partei in den Kämpfen zu ergreifen zum Nutzen der Nation, was immer auch hieß, zur Erlangung eines eigenen Staats- oder Stammesgebietes oder wenigstens nur autonomer Rechte - immer sahen sich die Kurden am Ende belogen, betrogen und wiederum unter fremder Herrschaft. Wen mag es da angesichts dieser Bitterkeit durch Jahrhunderte bestätigter Erfahrungen noch wundern, daß eines der ältesten kurdischen Sprichworte lautet: Kurd haweni nia - »Die Kurden haben keine Schirmherren«.

Die Hoffnung der Legenden

Nie jedoch hat dieses Volk die Hoffnung auf Freiheit verloren. Immer und immer wieder sind entschlossene Männer aufgestanden, ganze Stämme und Stammesverbände, haben zur Waffe gegriffen und gekämpft. Kaum ein anderes Volk der Erde kann eine ähnliche Geschichte aufweisen, eine derartige ununterbrochene Tradition zahlloser Aufstände, doch ebenso zahlloser Niederlagen. So gibt es nicht wenige Legenden und Sagen, in denen von Erhebungen die Rede ist, von heroischen Waffengängen oder kühnen Partisanenaktionen. Vom Volke ausgehend, sind sie tief im Bewußtsein der Kurden verwurzelt. Am Hofe Cheref Khans, des Fürsten von Bitlis, der …




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