Vorwort
Wenn jetzt, vierzig Jahre nach der Originalausgabe, die überaus kenntnisreiche Liebeserklärung des Dominikaner-Paters Thomas Bois an die Kurden endlich auch auf deutsch erscheint, dann trifft sie auf einen wohlvorbereiteten Boden. Seit mehr als zwei Jahrhunderten nämlich hat das Volk der Kurden im Bewußtsein der Deutschen einen festen Platz. Zahlreiche bedeutende Wissenschaftler und Reisende aus Deutschland haben in weitverbreiteten und immer wieder aufgelegten Büchern über die Landschaftsnatur Kurdistans und den Volkscharakter der Kurden geschrieben.
Der erste war der in Göttingen geborene Mathematiker und Geograph Karsten Niebuhr. Als erster Deutscher reiste er in den Jahren von 1761 bis 1767 nicht nur durch Arabien und Persien, sondern jahrelang auch durch die heutigen irakischen, türkischen und iranischen Teile Kurdistans. Sein mehrbändiges Buch darüber erschien bereits 1770 in Göttingen ("Reisebeschreibung nach Arabien und anderen umliegenden Ländern"). Über das damals osmanisch regierte Kurdistan berichtete er: "Die Stämme dieser bergigen Landschaft nehmen von den türkischen Statthaltern keine Gouverneure an, sondern anerkennen nur ihre eigenen Oberhäupter."
Von größerer Genauigkeit und durch und durch von Sympathie für die Kurden getragen waren siebzig Jahre danach die Reisebeschreibungen eines später berühmt gewordenen großen Deutschen: als preußischer Hauptmann, der als Verbindungsoffizier zur Hohen Pforte abkommandiert war, lernte der spätere Generalfeldmarschall Helmuth Karl Bernhard von Moltke das Kurdenvolk kennen. Auch er teilte die Begeisterung Niebuhrs für Land und Leute. In seinen 1841 in Berlin erschienenen "Briefen" schwärmte der nüchterne Militär: "Sobald man den Tigris überschritten, erhebt sich ein köstliches Hügelland und steigt allmählich zum hohen Gebirge an, welches mit Schnee bedeckt ist."
Ein paar Jahre später darauf, 1852, veröffentlichte ein deutscher Geograph, Max Wagner, in Leipzig seine zweibändige "Reise nach Persien und dem Lande der Kurden". Deutsche Ausgaben ausländischer Reiseberichte folgten, allen voran Henry Austen Layards "Auf der Suche nach Ninive", mit vielen ausführlichen Skizzen über Lebensverhältnisse und Gebräuche der Kurden. Über ein Jahrhundert ist dieses Buch den deutschen Lesern immer zugänglich gewesen: die erste Ausgabe wurde 1854 vom Brockhaus-Verlag in Leipzig gedruckt, die einstweilen letzte vom selben Verlag in München 1975.
Die Kurden waren den Deutschen also schon nahegebracht, als sie der Volksschriftsteller Karl May 1885 mit seiner Fortsetzungsserie in der christlichen Zeitschrift "Der deutsche Hausschatz" und kurz darauf in seinem Reiseroman "Durchs wilde Kurdistan" wahrhaft populär machte.
Daß auch kurdische Autoren selbst zu Wort kamen, sei besonders erwähnt: so erschienen beispielsweise unter dem Titel "Der Adler von Kurdistan" schon 1938 die Gedichte und Märchen des kurdischen Fürsten Kamuran Ali Bedir Khan in Potsdam.
Auch in den letzten Jahrzehnten haben sich zahlreiche deutsche Autoren mit der Lage der Kurden befaßt. Und einige Hunderttausend leben inzwischen, zumeist als Arbeitsemigranten aus den kurdischen Teilen der Türkei, in der Bundesrepublik mit Deutschen zusammen. Über ihr Denken und Fühlen, ihre Sitten und Stimmungen — man kann das ihre "Seele" nennen — informiert das Buch von Thomas Bois in liebevoller und verständlicher Weise. Es wird dazu beitragen, daß das Bild, das sich die Deutschen von den Kurden machen, noch deutlicher die Züge des gegenseitigen Verstehens und der beiderseitigen Achtung annimmt.
Günther Deschner
Vierzig Jahre im Mittleren Osten — davon acht im Herzen. Kurdistans — haben aus Pater Thomas Bois den französischen Kurdologen gemacht, der länger als jeder andere direkte Beziehungen zu den Kurden gehabt hat.
Den politischen Aspekt der Frage lasse ich außer Acht... Ich werde mehr Geschichten erzählen, als daß ich über Geschichte spreche; ich werde weniger Zahlen als Sprichwörter, weniger alte Urkunden als Legenden nennen, denn ich habe die Quellen der Historiker und Geographen vernachlässigt, uni weitgehend aus denen der Erzähler und Sänger zu schöpfen... jene, die von so manchem auch die „Troubadoure" der Stämme genannt worden sind. |