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Die Nationale Frage Türkisch-Kurdistans


Editor : Komkar Date & Place : 1980, Frankfurt
Preface : Pages : 188
Traduction : ISBN :
Language : GermanFormat : 145x200 mm
FIKP's Code : Liv. Ger. Van. Nat. N°586.(2)Theme : General

Die Nationale Frage Türkisch-Kurdistans
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Survey of the national question of Turkish Kurdistan with historical background [English, Roma, 1971]

Die Nationale Frage Türkisch-Kurdistans [Deutsche, Frankfurt, 1980]


Die Nationale Frage Türkisch-Kurdistans

Ismet Cheritf Vanly

Komkar


Wichtige Ereignisse, die sich sowohl' in Türkisch-Kurdistan wie in der gesamten türkischen Republik abspielen, scheinen immer mehr Gestalt anzunehmen. Diese Ereignisse betreffen das demokratische Leben und das Regierungssystem der Republik. Sie wirken sich auf Gegenwart und Zukunf.t sowohl des türkischen wie auch des kurdischen Volkes aus und sind direkt mit der kurdischen nationalen Frage verbunden.

Bevor wir diese Ereignisse überprüfen und analysieren, müssen wir einige allgemeine Daten über Türkisch-Kurdistan nennen und uns seine Geschichte ansehen.

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Inhaltsubersicht


Vorwort des Herausgebers / 5
Anmerkungen zum Vorwort / 10

Teil I
Allgemeine Daten / 11
Historischer Hintergrund / 19
Die kurdische Nationalbewegung / 29
Die kemalistische Bewegung und die Kurden / 35
Die Situation heute / 57
Das faschistische Regime vom März 1971 / 97
Was tun? / 109
Die Sonne wird wieder scheinen / 116
Anmerkungen zum Text / 119

Teil II
Die Folgen des Ultimatums vom März 1971 / 126
Die Neuformierung der politischen Kräfte / 133
Die sozioökonomische Entwicklung der 70er Jahre / 141
Die Verschärfung der politischen Auseinandersetzungen / 146
Organisationen der Kurden im Ausland / 171
Zur Deklaration der nationaldemokratischen Einheitsfront Kurdistans UDG / 174
Anmerkungen / 182
Der Autor des Teils I / 185


VORWORT DES HERAUSGEBERS


Vanly schrieb die vorliegende Analyse zur kurdischen nationalen Frage in Türkisch-Kurdistan vor beinahe 10 Jahren, wenige Monate nach dem faschistischen Militärputsch vom 12. März 1971 (Teil I).

Heute ist sie unerwartet wieder aktuell: Erstens hat in der Türkei erneut eine starke faschistische Tendenz Platz gegriffen, die das Land an den Rand des Bürgerkriegs brachte. Zweitens hat in Türkisch-Kurdistan oenau die Entwicklung der kurdischen Bewegung stattgefunden, die Vanly damals perspektivisch aufzeigte: Die sozialistischen und demokratischen Teile der kurdischen Bewegung haben sich im Februar dieses Jahres in der NATIONALDEMOKRATISCHEN EINHEITSFRONT KURDISTANS (Ulusal Demokratik Gügbir-ligi - UDG) zusammengeschlossen und sind bereit, mit den entsprechenden Teilen der türkischen politischen Kräfte in einem anti-imperialistischen, anti-chauvinistischen und anti-faschistischen Bündnis zusammenzuarbeiten (siehe KOMKAR-Publikation 3 von Juni 1980: Deklaration der Nationaldemokratischen Einheitsfront Kurdistans).

Die sozioökonomische und politische Entwicklung der letzten 10 Jahre, die zu diesem Bündnis führte, haben wir in einem Nachtrag analysiert (Teil II).

Vanly lieferte mit seinem vorliegenden Werk erstmals eine historisch begründete und umfassende Analyse der verschiedenen Phasen der kurdischen Nationalbewegung in TUrkisch-Kurdistan. Er tat das sehr engagiert, manchmal emotional, manchmal ironisch, eben als Betroffener. Seine politische Perspektive hat sich, von einzelnen taktischen Nuancen abgesehen, als richtig erwiesen.

Doch sind zwei Punkte kritisch anzumerken:

1) Im Zusammenhang mit dem Befreiungskrieg und der kemalistischen Bewegung meint Vanly, daß die "negativen Resultate" möglicherweise zu Lasten von "Atatürks Gefährten" gingen.

Wir sind nicht der Meinung, daß die "negativen" Entwicklungen jener Zeit auf persönliche Verdienste oder das persönliche Versagen Einzelner zurückgeführt werden können und sollen. Vielmehr sind die Ursachen dafür in der sozialen und ökonomischen Basis des Befreiungskrieges zu suchen.

Als Mustafa Kemal 1919 begann, den Widerstand gegen die Besatzungsmächte zu organisieren und die Kongresse von Erzurum und Sivas im selben Jahr den Partisanenkrieg legalisierten, war der Kampf schon im Gange, angefangen von den Kurden im Osten gegen die Engländer und auch von Partisanengruppen aus Bauern, Handwerkern, Kleinpächtern und Arbeitern im Westen gegen die Griechen. "Der Befreiungskrieg gewann, da er sich auf Feudale stützen mußte, keinen anti-feudalistischen Charakter. Das nationale Bürgertum, das während des Krieges infolge von Handel und Spekulation zwar angewachsen war, reichte als Basis nicht aus. Das niclit-türkische Bürgertum, Griechen und Armenier, hatte infolge Enteignung und Vertreibung seine Vormachtstellung verloren. Die Arbeiterklasse war ebenfalls zu schmal und kaum gewerkschaftlich organisiert" (1).

Die Kemalisten, die sich zunächst auf Kalifat und Sultanat stützten, nahmen durch die ablehnende Haltung des Sultans ihnen gegenüber zum Anlaß, die "Systemfrage" zu stellen, d.h. die Republik auszurufen. In der 1920 gewählten ersten "Großen Türkischen Nationalversammlung" waren 43,7 % der Abgeordneten Beamten und Offiziere, 9,7 % Industrielle und Händler und 32,7 % Feudale und Klerikale, die rund 10 % der Bevölkerung repräsentierten. Arbeiter und Bauern waren im Parlament nicht vertreten (2). Die Führung der kemalistischen Revolution lag also in den Händen eines Bündnisses bürgerlicher und feudaler Elemente.

Die Kurden hatten sich zum Teil dem Kampf gegen die imperialistischen Mächte angeschlossen. "Ein anderer Teil hatte jedoch die Verfolgungen und Zwanasumsiedlungen unter den Jungtürken, aus deren Reihen ja auch Mustafa Kemal stammte, nicht vergessen. Eine breite Volksbewegung unter den Kurden um Sivas eskalierte 1919-1921 im Kocgiri-Aufstand. Ziel war ein sofortiges Autonomie-Statut für Kurdistan innerhalb der Türkei.

Doch das Recht auf Selbstbestimmung, das vom Sultan immerhin formal anerkannt worden war, wollte Kemal nicht garantieren. Unter Ausnutzung von RivUlitäten zwischen verschiedenen Stämmen und Streitigkeiten zwischen religiösen Gruppierungen wurden die zahlenmäßig unterlegenen Kurden, die über keine einheitliche politische Führung verfügten, schließlich besiegt, obwohl sie grundsätzlich die interne Autonomie einer Halbkolonie Kurdistan nach dem Muster des "Friedens von Sevres” von 1920 vorzogen" (3).

"Die sich seit 1908 verstärkenden nationalistischen Tendenzen unter den Türken begannen um 1920 zur herrschenden Ideologie zu werden, die die Kurden und andere Völker von vornherein aus der Gemeinschaft ausschloß und sie so spaltete. Diese 'wie ein Blitz aus heiterem Himmel gefallene Ideologie' mußte in einem Staat, der entgegen anderen Auffassungen keineswegs eine 'ethnische Einheit' bildete, 'bald rassistische Züge' annehmen" (4). Darüber hat Vanly selbst genug geschrieben.

Neben der kurdischen Bewegung waren es die anti-feudalistischen Kräfte, die "Grüne Armee" und die Türkische Kommunistische Partei TKP, die die Machtposition der Kemalisten gefährdeten. Da Letztere das Bündnis der Kemalisten mit den Feudalen bedrohten, geschah "die Zerschlagung der anti-feudalistischen Kräfte (...) planmäßig und präzise" (5) durch deren militärische Vernichtung bzw. durch Mord. "Die feudalen und nationalistischen Kräfte hatten sich in der kemalistischen Bewegung durchgesetzt. Gleichzeitig hatte die Bewegung jede Chance verspielt, sich eine Basis im Volke zu schaffen" (6).

Der "Kompromiß" zwischen der Bourgeoisie und den Feudalen (setzte) einen vorsichtigen, doch faktisch kapitalistischen Entwicklungsweg durch, der bereits mit dem Tanzimat und der junqtür-kischen Revolution eingeleitet worden war" (7). Ein staatlicher Sektor in der Industrie wurde wegen mangelnden Privatkapitals im Lande geschaffen.

Bereits 1925, nach Erlaß des Republikschutzgesetzes, erfaßte eine allgemeine Repressionswelle die Gewerkschaften, die Arbeiterpresse und sämtliche demokratische und fortschrittliche Aktivitäten. So verstanden es die Kemalisten, sich 20 Jahre lang als Alleinherrscher zu behaupten. Die "negativen Resultate" entstanden also dadurch, daß die Kemalisten versuchten, eine Revolution von oben, gegen den Widerstand breiter Volksmassen, durchzuführen.

2) Vanly ist der Meinung, daß die "kurdische Unterentwicklung (...) hauptsächlich für die allgemeine Unterentwicklung der Türkei verantwortlich ist".

An anderer Stelle hat er selbst gesagt, daß es verschiedene Stufen der Ausbeutung gäbe, die des Bauern durch den Großgrundbesitzer, die des Landes durch die Stadt, die einer Kolonie durch die Kolonisatoren (Türkisch-Kurdistans durch die türkische Türkei). Wir fügen hinzu: die der peripheren Länder der Dritten Welt durch die Industriemetropolen.

Sie alle sind Phänomene ein und desselben Ausbeutungssystems, des Imperialismus. Die Ausbeutung Türkisch-Kurdistans durch die türkische Türkei sowie die innerhalb Kurdistans und auch innerhalb der türkischen Türkei herrschende soziale Ausbeutung sind Teil der imperialistischen Ausbeutung der Türkei. Eine Aufhebung der Ausbeutung Türkisch-Kurdistans Innerhalb des Staates Türkei kann also nur gleichzeitig mit der Aufhebung der imperialistischen Ausbeutung der Türkei erreicht werden. Die imperialistische und die interne Ausbeutung sind Bestandteile eines Systems, Widersprüche, die nicht nach-, sondern nebeneinandergeordnet die Perspektive zur Befreiung weisen, solange die kurdische Bewegung in der Türkei erklärtermaßen keine separatistischen Ziele verfolgt, sondern ihre demokratischen und nationalen Rechte innerhalb der Republik Türkei realisieren will. Das schließt nicht aus, daß im Rahmen einer Demokratisierung in der Türkei ein besonderes Entwicklungsprogramm für den unterentwickelten "Dogu" wie auch für die übrigen unterentwickelten Gebiete der Türkei, vor allem die ländlichen Regionen, durchgesetzt werden kann. Dies setzt jedoch einen erfolgreichen anti-imperialistischen, antichauvinistischen und antifaschistischen Kampf im Land voraus.

Bleibt zu bemerken, daß wir hoffen, daß diese Analyse zum besseren Verständnis der kurdischen Bewegung, ihrer Ziele und ihrer Bündnisbestrebungen beitragen wird. Gerade heute, wo die Demokraten und Sozialisten in der gesamten Türkei erneut massiv verfolgt werden, wo Terror und Folter an der Tagesordnung sind, wo von Demokratie und Menschenrechten nicht mehr die Rede sein kann, müssen die größten Anstrengungen unternommen werden, um dem einen gemeinsamen Widerstand entgegenzusetzen. Die Bedingungen sin

- Kampf dem faschismus!
- kampf dem chauvinismus!
- kampf dem imperialismus!
- hoch die internationale solidarität!

Frankfurt/Main im Juli 1980

Anmerkungen zum vorwort

(1) Ute Baran: Zur Agrarfrage in der Türkei, Dipl. Soz. Arbeit, Berlin, 1979, S. 118.
(2) ebenda.
(3) ebenda, S. 119, sowie: Kocgiri Halk Hareketi (Die Kocgiri-Volksbewegung), Istanbul, 1975.
(4) U. Baran, a.a.o., S. 119/120, sowie: I. Be$ik?i: Dokumente und Analysen zur Lage der Kurden in der Türkei, I, Hevra, o. Ort, o. Jahr.
(5) U. Baran a.a.o., S. 122.
(6) a.a.o., S. 123.
(7) a.a.o., S. 126.



Wichtige Ereignisse, die sich sowohl' in Türkisch-Kurdistan wie in der gesamten türkischen Republik abspielen, scheinen immer mehr Gestalt anzunehmen. Diese Ereignisse betreffen das demokratische Leben und das Regierungssystem der Republik. Sie wirken sich auf Gegenwart und Zukunf.t sowohl des türkischen wie auch des kurdischen Volkes aus und sind direkt mit der kurdischen nationalen Frage verbunden.

Bevor wir diese Ereignisse überprüfen und analysieren, müssen wir einige allgemeine Daten über Türkisch-Kurdistan nennen und uns seine Geschichte ansehen.

Allgemeine daten

Türkisch-Kurdistan ist ein Teil der türkischen Republik und die Heimat des Teiles des kurdischen Volkes, der innerhalb der Grenzen dieses Staates lebt. Es umfaßt, was unsere türkischen Freun-dg neuerdings "Dogu Anadolu" (Ost-Anatolien) und "Güney Dogu Anadolu" (SUd-Ost-Anatolien) oder einfacher "Dogu" (der Osten) nennen.

Verwaltungsmäßig machen sie etwa 19 von 67 Vilayets oder Provinzen (türkisch "il", Plural "iller") des Staates aus. Mit Ausnahme der westlichen Hälfte des Vilayets von Marash (Maras) und möglicherweise einiger Randdistrikte der Vilayets von Malatya, Erzurum und Kars sind dieses die 19 Vilayets, die Türkisch-Kur-distan bilden: Adiyaman, Agri (Ararat), Bingöl, Bitlis, Diyar-bekir (Diyarbakir), Elazig, Erzinjan (Erzincan), Erzurum, Gaziantep, Hakkari, Kars, Malatya, Marash, Mardin, Mush (Mus), Siirt, Tunceli (Dersim), Urfa und Van. Auch ein Teil des Vilayets von Sivas, östlich und südöstlich von Zara, ist kurdisch.

Türkisch-Kurdistan grenzt an Syrien, den Irak, Persien und die…

 


Ismet Cheritf Vanly

Die Nationale Frage Türkisch-Kurdistans

Komkar


Komkar – Publikation
Komkar- Publikation 4
Die Nationale Frage Türkisch-Kurdistans
eine Übersicht mit historischem Hintergrund
von Dr. Ismet Cheritf Vanly

Juli 1980

Original englisch: Survey of the National Question of Turkish
Kurdistan with Historical Background,
Herausgeber: Hevra - Organisation der revolutionären
Kurden aus der Türkei, o. Ort, o. Jahr.
Übersetzung und Autor des
Teils II: R. Havin

Herausgeber: Komkar - Föderation der Arbeitervereine Kurdistans
in der Bundesrepublik Deutschland
Westendplatz 34, 6000 Frankfurt /Main
TF: 0611 / 72 81 25

Diese Publikationsreihe in deutscher Sprache bringt in loser
Folge Informationen über die Lage in Kurdistan sowie über die
Lage der Kurden in Europa.

1. Auflage, 1000 Stück.
Frankfurt / Main im Juli 1980.
Preis: 8,00 DM (einschl. Porto)
Eigendruck.

Nachdruck bei Zusendung eines Belegexemplars erlaubt.

Bestellungen gegen Einsendung des Betrages in Briefmarken.
Gröfiere Beträge und Spenden bitte auf das Konto Nr. 34 35 666
für Komkar bei der Deutschen Bank, 8500 Nürnberg.

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