Bericht über die Lage in Kurdistan
Kurdistan-Komitees in Europa
GNN
Das kurdische Volk ist das größte Volk in der Welt, das seines Rechts auf Selbstbestimmung beraubt ist. Das 25 Millionen Menschen zählende kurdische Volk wird seit Jahrhunderten einem reaktionären kolonialistischen Status unterworfen, ist in vier Teile geteilt, auf fast die ganze Welt zerstreut und wird heute einem kolonial-faschistischen Vernichtungskrieg ausgesetzt. Die kolonialistischen Kräfte, allen voran der türkische Kolonialismus und das Saddam-Regime, unternehmen große Anstrengungen, um gestützt auf ihre reaktionäre Gewalt und Macht in Kurdistan die politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des kurdischen Volkes in den jeweiligen Teilen Kurdistans zu verhindern. Mit diesem Ziel werden unter Einsatz von international verbotenen chemischen Waffen Massaker verübt, tausende unschuldiger Menschen ...
Inhaltsverzeichnis
Vorwort / 6
I. Die Geschichte Kurdistans / 7
a) Die Zweiteilung Kurdistans 1639 und ihre politischen Konsequenzen
b) Die Vierteilung Kurdistans 1923 und ihre politischen Konsequenzen
II. Der Kolonialismus in Kurdistan / 15
a) Die militärische Institutionalisierung des Kolonialismus
b) Die politische Institutionalisierung des Kolonialismus
c) Die wirtschaftliche Institutionalisierung des Kolonialismus
d) Die kulturelle Institutionalisierung des Kolonialismus
III. Zur geschichtlichen Entwicklung des nationalen Befreiungskampfes in Nord-West Kurdistan / 19
IV. Die Methoden des „Spezialkrieges“ der Türkischen Republik in Kurdistan / 24
Kurze Einleitung
a) Operationen, Spezialarmee, Spezialeinheiten
b) Das „Dorfschützertum“
c) Das System der „territorialen Verteidigung“
d) Die Deportationspolitik (Zwangsumsiedlung) und die Errichtung von militärischen Sperrgebieten
e) Die Austeilung von Nahrungsmitteln in Rationen und unter Bewachung
f) Die Institution der sich auf Gewalt stützenden kemalistischen Assimilation und das offizielle
Verbot der kurdischen Sprache
g) Reuegesetz und psychologische Kriegsführung
h) Der Einsatz von chemischen Waffen
V. Die Maßnahmen in den Gefängnissen / 33
a) Die allgemeine Lage
b) Folterungen und Vorfälle in den Gefängnissen 1988
c) Strafverlegungen in den Gefängnissen
d) Einige Beispiele von Folter, die 1988 in der Presse bekannt wurden
VI. Das Massaker des irakischen Staates unter Einsatz von chemischen
Waffen und der Anteil des türkischen Staates an diesem Massaker / 45
a) Die Rolle des kolonialistischen irakischen Staates
b) Die Rolle des türkischen Staates
c) Die Situation der Kurden in den Sammellagern
VII. Die Realität Kurdistans und die Vereinten Nationen / 49
Schlußwort / 51
Zusatzbericht über die Haltung der BRD gegenüber
dem nationalen Befreiungskampf Kurdistans / 54
a) Einleitung
b) Die Situation der in der BRD lebenden Kurden
c) Kurzer Überblick über die Repression
d) Hintergrund der Repression der bundesdeutschen Behörden.
Die 45. Tagung der UN-Menschenrechtskomission
in Genf und andere zur Lage in Kurdistan.
Reden, Pressemitteilungen / 63
— Kilia Semsi, Vertreterin der YJWK
(Verband der patriotischen Frauen Kurdistans)
— Alain Wyler (Internationale Liga für
die Rechte und die Befreiung der Völker)
— Griechenland im Namen der 12 Mitgliedstaaten
der Europäischen Gemeinschaft
— Spanien im Namen der 12 Mitgliedstaaten
der Europäischen Gemeinschaft
— Jan Romare, Vorsitzender der schwedischen Delgation
— Hrair Baiion, Anwälte für Menschenrechte
— Internationale Juristenkomission
— Alan Philips, (Minority Rights Group)
— Onur Gokce, Türkei
— Der Beobachter des Irak
— Presseausschnitte
ZU DIESEM BUCH:
Der im folgenden dokumentierte „Bericht über die Lage in Kurdistan“ wurde der 45. Tagung der UN-Menschenrechtskommission in Genf von den Kurdistan-Komitees in Europa vorgelegt. Er wurde an die Vertreter der UN-Mitgliedstaaten und der bei der Menschenrechtskommission vertretenen nichtstaatlichen Organisationen verteilt und dem Vorsitzenden der Konferenz übergeben. Ähnliche Berichte lagen bereits im Jahr 1986, 1987 und 1988 den Tagungen der UN-vor. Im Anschluß an den Bericht folgen Auszüge aus Reden von Kurden, Vertre¬tern nichtstaatlicher Organisationen und staatlichen Vertretern vor der 45. Tagung der UN-Menschenrechtskommission zur Lage in Kurdistan. Aus Platzgründen sind diese Reden in Auszügen wiedergegeben.
Der nationale Befreiungskampf Kurdistans spielt eine Schlüsselrolle für die Entwicklung im Mittleren Osten. Deshalb wird der Befreiungskampf des kurdischen Volkes jetzt und in Zukunft internationale Gremien wie die UNO noch häufiger beschäftigen. Schon jetzt lassen sich dabei verschiedene Bestrebungen gegenüber dem kurdischen Volk und seinem Befreiungskampf erkennen. Sowohl die USA wie die EG, aber auch die Kurdistan in kolonialisiertem Zustand haltenden Länder, an erster Stelle die Türkei, versuchen, den Widerstand des kurdischen Volkes zu unterdrücken. Demgegenüber wird der bewaffnete Kampf in Nordwest-Kurdistan, der von der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) geführt wird, eine wichtige Rolle spielen. Wir wollen mit diesem Buch über die Geschichte des kurdischen Volkes, seine aktuelle Lage und seinen Widerstand berichten.
Vorwort
Das kurdische Volk ist das größte Volk in der Welt, das seines Rechts auf Selbstbestimmung beraubt ist. Das 25 Millionen Menschen zählende kurdische Volk wird seit Jahrhunderten einem reaktionären kolonialistischen Status unterworfen, ist in vier Teile geteilt, auf fast die ganze Welt zerstreut und wird heute einem kolonial-faschistischen Vernichtungskrieg ausgesetzt. Die kolonialistischen Kräfte, allen voran der türkische Kolonialismus und das Saddam-Regime, unternehmen große Anstrengungen, um gestützt auf ihre reaktionäre Gewalt und Macht in Kurdistan die politische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des kurdischen Volkes in den jeweiligen Teilen Kurdistans zu verhindern. Mit diesem Ziel werden unter Einsatz von international verbotenen chemischen Waffen Massaker verübt, tausende unschuldiger Menschen ermordet. Mit den Methoden des Spezialkrieges wird ein Vernichtungskrieg praktiziert, werden tausende von politischen Gefangenen in den Gefängnissen unmenschlichen Folterungen und anderen Maßnahmen ausgesetzt, die alle einen Verstoß gegen die Menschenrechte darstellen.
Jedoch besitzt das kurdische Volk alle Merkmale einer Nation, die die modernste Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung der Völker in unserer Epoche ist. Als ein Volk, das mit einer gemeinsamen Sprache, einer ge-meinsamen Geschichte, mit der geistigen Zusammengehörigkeit und der territorialen Einheit alle Merkmale einer Nation besitzt, bekennt sich heute das kurdische Volk mit seiner nationalen Befreiungsbewegung zu seinem Selbstbestimmungsrecht. Hierauf ist es auch zurückzuführen, daß auf in-ternationaler Ebene das Kurdistan-Problem aufgegriffen wird und neue po-litische Wege bestimmt werden. Das kurdische Volk, das einen der größten und entwickeltsten nationalen Befreiungskämpfe im Mittleren Osten führt, hat demzufolge legitimen Anspruch auf Anerkennung als Nation mit Selbstbestimmungsrecht gemäß der Charta der Vereinten Nationen.
Wir als Kurdistan-Komitees in Europa haben dieses Dossier erstellt und darin versucht, die Situation des kurdischen Volkes, seinen Kampf um sein Selbstbestimmungsrecht und schließlich den reaktionären, gegen die inter-nationalen Menschenrechte und die Völkerrechte verstoßenden Vernich-tungskrieg der kolonialistischen Kräfte gegen diesen Befreiungskampf ob¬jektiv wiederzugeben. Dieses Dossier überreichen wir den Damen und Herren Delegierten der befreundeten Länder und wollen damit die Botschaft und die legitime Forderung des kurdischen Volkes, sich in die mo¬derne Völkergemeinschaft gleichberechtigt einzureihen, weiterreichen. Wir sind der festen Überzeugung, daß das kurdische Volk bei dieser seiner Forderung die notwendige Hilfe erhalten wird. Im voraus wollen wir Ih¬nen im Namen des kurdischen Volkes für Ihre Bemühungen unseren Dank aussprechen.
Hochachtungsvoll
Kurdistan-Komitees in Europa
I. Die Geschichte Kurdistans
Kurdistan umfaßt ein Gebiet von ca. 550000 qkm, das von dem Vansee bis zum Urmiye-See über den Ararat-Berg reicht und in dem das kurdische Volk seit Jahrtausenden lebt. Die Tatsache, daß Kurdistan seit Jahrhunderten einem finsteren Kolonialismus ausgesetzt ist, hat auch ihre Auswirkungen so wie in allen anderen Bereichen, in Bezug auf die tiefgehende Erforschung seiner Geschichte gehabt und die Offenlegung vieler Tatsachen verhindert. Doch man kann von tausenden von Büchern über die Geschichte Kurdistans sprechen. (1)
Die eigentlichen Erkenntnisse über die Geschichte Kurdistans werden erst möglich sein, wenn das kurdische Volk seine politische Selbstbestim¬mung erlangt hat. Doch die wichtigsten Wendepunkte in der Geschichte Kurdistans sind in groben Zügen bekannt.
Der Ursprung der Kurden geht auf die indo-europäischen Stamme zu¬rück die im Zeitalter der Barbarei in Nord-Europa als Nomadenstamme lebten und mit dem Aufkommen der Zivilisation nach Mitteleuropa zur Indischen Halbinsel, nach Anatolien und zu den Plateaus des Iran wander¬ten. Die Meder — Vorfahren der Kurden — siedelten sich 1000 v.Chr. zwischen dem Urimiye-See und dem Vansee an. So wie die Perser und die Belutscher stammen auch die Kurden von den indo-europaischen Völkern ab (2)
a Die zum größten Teil im Norden Mesopotamiens angesiedelten Meder mußten sich gegen die im Süden lebenden Assyrer und das assyrische. Reich verteidigen. Der Kampf zwischen den Medern, die als eine Konföderation der Stämme organisiert waren, und dem assyrischen Reich dauerte bis 612 v Chr. Schließlich eroberten die Meder die Hauptstadt der Assyrer, Nin ve. Die Meder errichteten ein Imperium, das das heutige Kurdistan umfaßte und wo die Meder sich fest ansiedelten und seßhaft wurden Dieser Pro zeß des Seßhaft-Werdens war die Grundlage für die Bildung der kukurel len, sprachlichen und territorialen Einheit der Meder, die die Basis für ih Nation schuf. Mit der Niederschlagung des Meder-Impenums wurde e jahrhundertelange Okkupation und Unterdrückung der Meder bzw. Kurden eröffnet. Der griechische Schriftsteller und Heerführer Xenophon (um 400 v u Z.) berichtet in seiner Schrift „Anabasis“ über die „Karduk und „Kurdo“, die kämpferisch und dem König nicht untertänig gewesen seien.
Der darauffolgende Abschnitt der Geschichte ist aus der Sicht des kurdi-schen Volkes, das hinsichtlich der sozio-ökonomischen Struktur eines der entwickeltsten Völker des Mittleren Ostens war und auch reichekulturelle Werte besaß, eine Phase der Okkupation, Ausplünderung und der Kriege um die Beherrschung Kurdistans. Nach den Persern wurde Kurdntan nach- einander von den Griechen, dem römischen Reich und bischen Reich unterworfen und ständigen kriegerischen Feldzugen ausgesetzt. …
Kurdistan-Komitees in Europa
Bericht über die Lage in Kurdistan
GNN
Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichten
Bericht über die Lage in Kurdistan
Zur Vorlage an die 45. Vollversammlung
der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen
vom 30.01. bis 10.03.1989 in Genf
Vorgelegt von den Kurdistan-Komitees
in Europa im Januar 1989
Herausgeber: Kurdistan-Komitees in Europa.
Verantwortlich im Sinne des Presserechtes:
Kurdistan-Komitee in der BRD e.V., Hansaring 66,5000 Köln 1.
Erscheint bei GNN, Gesellschaft für Nachrichtenerfassung und Nachrichtenverbreitung,
Verlagsgesellschaft Politische Berichte m.b.H.
1. Auflage, Köln, April 1989:5000. Preis: 6,00 DM
(in Österreich: 45 ö.Sh., in der Schweiz: 6 sfr.).
Bezugsadresse: GNN-Verlag, Zülpicher Str. 7, Postfach 260226, 5000 Köln 1,
Tel. 0221-211658.
ISBN 3-926922-02-8
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