La bibliothèque numérique kurde (BNK)
Retour au resultats
Imprimer cette page

Kurdologie - 7


Éditeur : Unrast Date & Lieu : 2003, Münster
Préface : Pages : 344
Traduction : ISBN : 3-89771-015-3
Langue : AllemandFormat : 135x210 mm
Code FIKP : Liv. All. Fis. Kur. 1066Thème : Général

Kurdologie - 7
Versions

Kurdologie [Deutsche, Berlin , 1994]

Kurdologie - 7 [Deutsche, Münster, 2003]

Kurdologie: Kurden in Europa - 4 [Deutsche, Münster, 2001]


Kurdologie - 7

Andrea Fischer-Tahir

Unrast


Andrea Fischcr-Tahir untersucht in ihrer Ar-beit die Entwicklung (kollektiven) Widerstands in Irakisch-Kurdislan in den Jahren 1975 bis 2000. liis 1991 ist Widerstand dabei primär eine Reaktion auf die autoritäre Gewaltherrschaft des irakischen Regimes. Mil der Herausbildung einer selbst verwalteten kurdischen Enklave im Norden des Irak im Anschluss an den Zweiten Golfkrieg wird diese selbst zum größten Widerstand gegen das Regime Saddam Husseins. Gleichzeitig stellte sieh für alte und neue Akteure in Irakisch-Kurdislan zunehmend die Frage, wie die entstandenen I landlungsspiel-rätime zu nutzen sind, wie zwischen Opposition gegen und Arrangement mit den neuen kurdischen »Machthabern« abzuwägen ist. Fischcr-Tahir geht es nicht um die Darstellung von Widerstand aus der Sieht von Führungspersönlichkeiten, sondern um die Positionen einfacher Akteure, die sie mit Methoden der Oral llislory und der Biografielbrschung erfragt. So ermöglicht die Autorin differenzierte Einblicke in die irakisch-kurdische Gesellschaft der Gegenwart.


Inhalt


Vorwort der Herausgeber/innen / 9
Vorbemerkung / 11
Einführung / 13
Fragestellung / 14
Forschungsstand / 15
Aufbau der Arbeit / 17

1 Theoretische Perspektiven / 19
Wir-Gruppcn / 19
Interaktion und Zugehörigkeit / 19
Gedächtnis und Geschichte / 23
Handeln in Konflikten / 26
Struktur und Praxis / 26
Arrangement und Widerstand / 32
Gewalt und Krieg / 39

2 Methodische Überlegungen und Verfahren / 45
Oral History und Biografische Forschung / 45
Identitätsgrenzen und Rollcnfixicnmg im Forschungsprozess / 47
IntcrvicwfUhrung, Auswertung und Präsentation / 52

3 Verortungen / 55
Ethnografische Aspekte / 55
Die kurdische Stadt Suleimaniya / 60
Probleme der kurdischen Bewegung im Irak / 63
»Kurdaycti« / 67
Wer ist die Avantgarde? / 69
Kontinuitäten / 70
Konkurrenzen / 72
Mythen / 73
Der Irak als repressiver Wohlfahrtsstaat / 74
Sicherheitspolitik / 80
Umsiedlung / 80
Instrumente der Angst / 81

4 Handeln, Macht und Identität im Widerstand / 85
»Wer die Augen öffnet, wird politisch« - Motivationen und Strategien von unten / 85
Huäiyar und Sorä: Männer im städtischen Widerstand / 85
Mchabad und Runak: Frauen im städtischen Widerstand / 93
Heva), Aram und Kawe auf dem Weg zu den Pcschmcrga / 106
Bchar: eine Frau als Pcschmcrga / 116
Widerspruch, Widerstand, Sinngebung / 128
»Sic halfen und versteckten uns« - Handlungsspiclräumc / 133
Widerstand von Studenten und Schülern in den Städten / 133
Individuelle Strategien / 138
Innenansichten der befreiten Gebiete / 146
»Weil du gegen chemische Waffen keinen Widerstand leisten kannst« - Grenzen (I) / 152
Anfal-Offcnsivcn 1988 / 152
Nicht-Kombattanten in den Anfal-Offcnsivcn / 155
Pcschmcrga erinnern sich / 159
Auswirkungen der Anfal-Offcnsivcn auf die Parteien / 170
Überwältigende Macht / 175
»Im Gefängnis sichst du das System noch besser« - Grenzen (II) / 181
Huäiyar erzählt / 181
Runak erzählt / 187
Aram erzählt / 192
Fazit / 199

5 Autonomie als Widerstand, Widerstände in der Autonomie / 201
Veränderte Rahmenbedingungen / 201
Aufstand ins Ungewisse / 201
Kriegsversehrten / 206
Das neue, alte Spektrum / 207
Unsicherheiten / 210
»Wir wurden zum zweiten Mal verraten« - Erinnerung, Legitimation und Gewalt / 215
Räte versus Pcschmcrga-Partcicn / 215
Märtyrer als Symbol / 223
Pcschmcrga nach dem Aufstand / 225
Anfalübcrlcbcndc Frauen und die Gewalt der Ehre / 230
Ehemalige politische Gefangene und die Gewalt der Ehre / 235
»Sie dachten, wir gründen eine neue Partei« - Neue Akteure / 240
Arbeiterkommunisten / 240
Islamische Union / 243
Jugend zwischen Aufbruch und Anpassung / 258
Gruppen jenseits von Parteien / 264
»Kein Mensch will so leben« - Strategien wider die Unsicherheit / 267
Ausweg Flucht / 267
Heiratspräferenz und Sicherheit / 274
Identität und Macht / 281
»Jetzt benutze ich die Partei« - Frauen in    Arrangement und Widerstand / 287
Alte Muster / 287
Frauen überschreiten Grenzen / 291
Grcnzvcrschicbungcn / 302

Fazit / 305
Schlussbetrachtung / 307
Wir-Gruppc, Widerstand, Gewalt der Ehre / 307
Reflexionen: Möglichkeiten und Grenzen    in der Forschung / 314
Literatur / 315
Anhang A: Biografische Interviews / 336
Anhang B: Glossar / 337
Anhang C: Karte Irakisch-Kurdistan / 338
Die Autorin / 339


VORWORT DER HERAUSGEBER/INNEN


Mit der vorliegenden Publikation setzten wir die Veröffentlichung aktueller Dissertationen fort - mit einer Arbeit, die sich nicht wie die beiden vorigen mit der kurdischen Diaspora beschäftigt, sondern sich einer der Herkunftsregionen der Kurden widmet, Irakisch-Kurdistan.

Andrea Fiseher-Tahir untersucht in ihrer Arbeit die Entwicklung (kollektiven) Widerstands in Irakisch-Kurdistan in den Jahren von 1975 bis 2000. Widerstand ist dabei bis │99│ primär eine Reaktion auf die autoritäre Gewaltherrschaft der irakischen Regierung. Mit der Herausbildung einer selbstverwalteten kurdischen Enklave im Norden des Irak im
Anschluss an den Zweiten Golfkrieg wurde diese selbst zum größten Widerstand gegen das Regime Saddam Husseins. Gleichzeitig stellte sich für alte und neue Akteure auf der politischen Bühne zunehmend die Frage, wie die entstandenen I landlungsspielräume zu nutzen sind, wie zwischen Opposition gegen und Arrangement mit den neuen kurdischen »Machthabern« abzuwägen ist.

Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren geht es Fischer-Tahir nicht um die Darstellung von Widerstand aus der Sicht von Führungspersönlichkeiten, sondern um die Positionen einfacher Akteure, die sie mit Methoden der Oral llistory und der Biografieforschung erfragt. Die in der Arbeit präsentierten Interviewausschnitte sind dabei von außergewöhnlicher Intensität. Insbesondere die Passagen, in denen Fischer-Tahirs Interviewpartner und -Partnerinnen von
Gewalterfahrungen, von Krieg, Vernichtung. Folter, Angst und Ohnmacht sprechen, sind beklemmend authentisch. Lesern und Leserinnen wird die Möglichkeit verwehrt, unbeteiligt zu bleiben, sich zu distanzieren. Selbst für Personen, die sich nie zuvor mit dem Irak auseinander gesetzt haben, wird die Gewaltherrschaft Saddam Husseins und der BaHhpartei ein Stück weit nachvollziehbar -und somit vielleicht auch die unpopuläre, pro-amerikanische Haltung eines Teils der irakischen Opposition, insbesondere der kurdischen, zum Dritten Golfkrieg. Bei aller lnvolvierlheit verliert die Autorin dennoch nie die kritische Distanz zum Thema, sie läuft nie Gefahr, an Stelle von Analyse »nur« Betroffenheit zu offerieren.

»Wir gaben viele Märtyrer« eröffnet differenzierte Einblicke in die irakisch-kurdische Gesellschaft vor dem Dritten Goltkrieg. Dies ist angesichts mancher durch die aktuelle politische Debatte um den Irak
produzierter wissenschaftlicher »Schnellschüsse« und »Eintagsfliegen« umso notwendiger und erfreulicher. Das Buch hilft zu verstehen, mit welchen gewaltigen Herausforderungen die gesamte irakische Gesellschaft derzeit konfrontiert ist. Es warnt davor, in naher Zukunft »Wunder« in Hinsicht auf Demokratisierung und die Entwicklung zivilgesellschaftlicher Strukturen zu erwarten. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Entwicklung solcher Strukturen nicht im luftleeren Raum beginnt, sondern dass sich im Norden des Landes seit 1991 bereits eine Gesellschaft entwickelt hat, die deutlich pluralistischer und weniger autoritär ist als viele andere im Nahen Osten. Hier liegt eine Chance für den Wiederaufbau des Irak, und es bleibt zu hoffen, dass sie nicht verspielt wird.

Berlin, 'im März 2003
Carsten Borck, Eva Savelsberg, Siamend Hajo



Vorbemerkung

Üblichen Gepflogenheiten folgend, möchte ich mich anlässlich der hier vorliegenden Publikation bei denjenigen Menschen bedanken, die ihre Entstehung begleitet haben. Stellvertretend für diejenigen, die mir in Kurdistan mit Rat und Tat zur Seite standen, möchte ich mich bedanken bei meinen langjährigen Freunden Ahmed und Ata, ferner bei Ashti Talebani und Dr. Kemal Fu nd, schließlich bei der Familie meines Lebensgefährten. Prof. Ursula Apitzsch aus Frankfurt am Main verdanke ich die Anregung, mich mit biografischer Forschung zu beschäftigen. Prof. Jörg Gertei hatte wesentlichen Anteil an der theoretischen Ausrichtung der Studie, wofür ich ihm sehr zu Dank verpflichtet bin. Prof. Martin van Bruinessen aus Utrecht danke ich dafür, dass er mir bei Gelegenheit den wichtigen Hinweis gab. mein Material systematischer zu strukturieren. Prof. Lutz Richter-Bernburg aus Lcipzig/Tübingen danke ich für seine hilfreiche Unterstützung, die er mir mehrere Jahre lang zuteil werden ließ. Ferner gebührt mein Respekt und Dank Prof. Holger Preißler aus Leipzig. Eine ganz besondere Freude aber ist es mir, meinem lieben Dozenten Dr. Lothar Bormann in Leipzig, der sich für meine Textfrag-menle viel Zeit nahm, doch noch ein gedrucktes Exemplar meiner Doktorarbeit überreichen zu können. Dr. Samia Tschauschli, die mir die ersten Worte Kurdisch beibrachte, gilt ebenfalls mein Respekt und Dank. Was die Korrekturen zu meiner Arbeit betrifft, so bedanke ich mich bei meinen Freunden Olaf Miemiec, Berit Lange, Matthias Bernt, Micha Wuttke und Christian Pommerening, außerdem bei der Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie, Schließlich möchte ich mich bei meiner Familie und all meinen Freunden dafür entschuldigen, dass ich sie in den vergangenen Jahren oft vernachlässigte, ja oft genug bereits am Telefon mit dem Spruch »Bei der Arbeit« verprellte. ln diesem Zusammenhang sei ein besonderer Dank formuliert: Er gilt meinem lieben Lebensgefährten, der mich in den vergangenen Jahren oft und mit Erfolg ermahnte: »Schreib!« Dies war sehr im Sinne der Hans-Böckler-Stiftung, die mir ein Stipendium offeriert hatte, und deren Erwartungen in mich ich nicht enttäuschen wollte.

Leipzig, im Januar 2003
Andrea Fischer-Tahir



Einführung

Die hier vorliegende Studie untersucht strukturelle und handlungsbezogene Dimensionen des Kurdistan-Konflikts im Irak in den letzten fünfundzwanzig Jahren des 20. Jahrhunderts. Sie bezieht sich in eingegrenzter regionaler Perspektive auf Stadt und Provinz Suleimaniya. Deutlich wahrnehmbar ist der als komplex zu bezeichnende Konflikt auf der Ebene politische Gruppen in Kurdistan versus irakische Zentralgewalt. Ferner konfligieren diese Gruppen in vieltaltiger Weise miteinander und bergen eine Reihe von Widersprüchen in sich selbst, ln extremen Fällen finden Konflikte ihre Austragung in militärischer Form. Die kurdische Bewegung im Irak entstand im Kontext irakischer Staatsbildung und in Reaktion auf ungleiche Machtverteilung hinsichtlich politischer, kultureller und ökonomischer Ressourcen und Revenuen. In Auseinandersetzung mit der jeweiligen Zentralgewalt ging es ihr um die Aushandlung erweiterter Handlungsspielräume, seit den l%0er Jahren politisch-rechtlich als »Autonomie« vorgestellt. Das seit 1968 dauerhaft die Macht behauptende Baath-Regime überzog den gesamten Irak mit seiner autoritären Gewaltherrschaft. Es strebte nach der unbedingten Loyalität jedes einzelnen zum Staat und bediente sich hierbei parteibürokratischer, militärischer und sicherheitspolitischer Institutionen sowie einer Wirtschafts- und Sozialpolitik, die den Einwohnern des Irak eine gewisse bedürfnisbefriedigende Partizipation an den materiellen Ressourcen (Erdölrente) gewährte. Gegen widerständige Tendenzen reagierte das Regime mit extremer Gewalt. Intervention von außen bildete eine wesentliche Rahmenbedingung dafür, dass kurdische Gruppen Anfang der 1990er Jahre eine Form von Eigenständigkeit etablieren konnten.

Zu Genese und Entwicklungen der kurdischen Bewegung im Irak liegt eine beachtliche Zahl an Publikationen, überwiegend aus den Fachbereichen Politikwissenschaft und Geschichte, vor. Viele Arbeiten weisen jedoch den Mangel auf, dass sie der Selbstsicht der Akteure insgesamt zu wenig Beachtung schenken. Auch sind zu sehr Parteien und Führungspersönlichkeilen als von außen wahrnehmbare Akteure Gegenstand der Betrachtung, das Handeln von Subjekten unterhalb der »Kongress- und Resolutionsebene« bleibt meist im Dunkeln. Dabei sind es doch gerade diese Subjekte, die mit ihrer »sinnlichen Tätigkeit« (Marx) das produzieren, was im Allgemeinen »Geschichte« genannt wird. Der Kurdistan ...


Andrea Fischer-Tahir

Kurdologie - 7

Unrast


Unrast
Kurdologie, Band 7
Wir gaben viele Märtyrer
Widerstand und kollektive Identitätsbildung in Irakisch-Kurdistan
Andrea Fischer-Tahir

Beiträge zur
Kurdologie

herausgegeben von
Carsten Borde, Eva Savelsberg und Siamend Hajo
für die Berliner Gesellschaft zur Förderung der Kurdologie
- Europäisches Zentrum für kurdische Studien -

Band 7

Diese Publikation wurde ermöglicht durch die finanzielle
Unterstützung der Hans-Böckler-Stiftung

Andrea Fischer-Tahir: »Wir gaben viele Märtyrer«.
Widerstand und kollektive Identitätsbildung in Irakisch-Kurdistan
Beiträge zur Kurdologie, Bd. 7
1. Auflage, Juni 2003

Zugl.: Leipzig, Univ., Diss., 2002

ISBN 3-89771-015-3
© UNRAST-Verlag, Münster
Postfach 8020,48043 Münster - Tel. (0251) 666293
info@unrast-verlag.de
Mitglied in der assoziation Linker Verlage (aLiVe)
Umschlagbild: Ohne Titel, von Bahram Hajou (1998)
Druck: Interpress, Budapest

PDF
Téléchargement de document non-autorisé.


Fondation-Institut kurde de Paris © 2024
BIBLIOTHEQUE
Informations pratiques
Informations légales
PROJET
Historique
Partenaires
LISTE
Thèmes
Auteurs
Éditeurs
Langues
Revues