Ein Jahr autonome Regierung in Kurdistan
Golmorad Moradi
Hochschule
Die Mahabad-Republik von 1946 wurde und bleibt für die Kurden bis heute ein Symbol ihrer Freiheit und staatlichen Organisation. Golmorad Moradi stellt die kurze Geschichte dieses Staates ausführlich dar; er benennt den schwierigen Prozeß seiner Entstehung, die Probleme der Staatsführung und das schmerzliche Ende dieser Republik. Die Mahabad-Republik ist Glied einer langen Kette von kurdischen Bestrebungen nach Freiheit und staatlicher Organisation. Ihre Entstehung und ihr Untergang belegen zugleich die historische Dimension dieser Bestrebungen. Die kurdische Nationalbewegung, die sich bei aller Differenzierung im einzelnen (und diese Unterschiede machen Demokratie aus) über alle künstlichen Staatsgrenzen hinweg in ihren grundsätzlichen Zielen einig weiß, wird in derAutonomen Regierung von Mahabad immer ein Symbol des Rechts der Kurden auf Selbstbestimmung sehen.
Golmorad Moradi, geb. am 11.3.1941 in Zuhab/Iranisch-Kurdistan, entstammt einer Bauern- und Nomadenfamilie der Guran, einem der vier legendären Stämme der Kurden. Während der Arbeit als Schneider, Soldat, Bohrinspektor und Pumpenwärter holte er die ihm als Kind verwehrte Schulausbildung nach. 1969 kam er in die Bundesrepublik Deutschland, wo er nach dem Erwerb des High School Diploma ein College der Pepperdine-University besuchte. Nach dem Studium der Volkswirtschaft und Politischen Wissenschaften an der Universität Heidelberg, promovierte er mit dem vorliegenden Werk an der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft der Universität Heidelberg.
Inhalt
Vorwort / III
A. Einleitung / 1
B. Hauptteil / 3
1. Kapitel: Geographische und historische Entwicklung Kurdistans / 3
1.1 Woher kommt der Name Kurdistan? / 4
1.2 Geographische Lage / 5
1.2.1 Die bedeutendsten Gebirge / 8
1.2.2 Die klimatischen Verhältnisse / 9
1.2.3 Die bedeutendsten Flüsse und Seen / 9
1.2.4 Die Ressourcen / 10
1.2.5 Bevölkerung Kurdistans / 10
1.3 Die Religionen und das kurdische Volk / 23
1.4 Historischer Ursprung der Kurden / 27
1.4.1 Mythologie / 27
1.4.2 Ethnologie / 28
2. Kapitel: Einteilung der Geschichte der Kurden seit dem Aufstieg des Islam / 31
2.1 Die erste Periode: Aufstieg des Islams und Invasion der Araber in das Sassanidenreich sowie der Widerstand der Kurden / 32
2.1.1 Gründung der kurdischen Dynastien nach der Übernahme des Islam (900-1200 n. Chr.) / 35
2.1.1.1 Die Schaddadidcn-Dynastie (340 - 564 IZR/951- 1174 n. Chr / 35
2.1.1.2 Die Hassan-Wahy (Hassanawie)-Dynastie / 36
2.1.1.3 Die Marwaniden-Dynastie (990- 1096 n. Chr.) / 36
2.1.1.4 Die Fazllawiden- bzw. Hezar-Assef (Hezar-As-ban)-Dynastie / 37
2.1.1.5 Die Schabankareh (Schowankarch)-Dynastie / 37
2.1.2 Die Scldschuken-Dynaslie und die geographische Markierung Kurdistans / 38
2.1.3 Gründung der Attabegen-Dynastie / 39
2.1.4 Sultan Salahodin: Kurde und „islamischer Held” / 40
2.1.4.1 Herkunft Sultan Salahodin Ayubis / 40
2.1.4.2 Sultan Salahodin und die Gründung der Ayubiten-Dynastie / 41
2.1.4.3 Der Charakter und die Persönlichkeit von Sultan Salahodin Ayubi / 44
2.1.5 Invasion der Mongolen, Aufstieg der Osmanen und das Schicksal des kurdischen Volkes / 45
2.2 Die zweite Periode: Die Kurden zwischen Osmanen und Persern ab dem 14. und 15. Jahrhundert / 47
2.2.1 Die Teilung Kurdistans durch den Osmanisch-Iranischen Krieg von Tschaldoran im Jahre 1514 und den Zuhab-Vertrag im Jahre 1639 / 50
2.2.2 Die Lage der Kurden nach der Aufteilung ihres Gebiets vom 16. bis zum 19. Jahrhundert / 51
3. Kapitel: Die kurdische Bewegung ab Anfang des 19. Jahrhunderts / 53
3.1 Der Baban-Aufstand (1806 - 1808) / 55
3.2 Der Mir-Mohammad-e Surani-Aufstand (1833-1836) / 55
3.3 Der Aufstand von Amir Badir-Khan Betlisi, Fürst von Bothan (1843-1847) / 57
3.4 Der Aufstand von Ezzedin Schir (Yazdanschir) 1853 - 1855 / 60
3.5 Der Aufstand von Scheikh Obeidullah Schamsdinan (Nehri) 1880-1883 / 63
3.6 Verhältnis der Kurden zu den Armeniern und Assyrem im 19. Jahrhundert / 73
3.6.1 Die Tätigkeit der Missionare und das Interesse der Großmächte / 73
3.6.2 Konflikte zwischen den Kurdenführern und den Armeniem/Assyrem / 75
3.7 Die Kurden um die Jahrhundertwende / 80
3.7.1 Die Hamidiyeh-Truppen und die Armenier / 81
3.7.2 Die Jungtürken und die Kurden / 84
3.7.3 Die ersten politischen Organisationen in Kurdistan / 86
3.7.4 Die Rivalität unter den Kurden / 88
3.7.5 Der türkische Nationalismus und die Kurden / 91
4. Kapitel: Die vierte Periode: Die Lage der Kurden seit Anfang des 20. Jahrhunderts bis zum 2. Weltkrieg / 94
4.1 Der Aufstieg der Kemalisten als Träger des türkischen Nationalismus und die Kurden / 95
4.2 Der Friedensvertrag von Sevres und die Enttäuschung der Kurden / 98
4.3 Die Kurden in der UdSSR / 101
4.4 Die kurdischen Aufstände in der Türkei nach dem 1. Weltkrieg / 105
4.4.1 Der Aufstand von Schcikh Sa'id Pirani / 108
4.4.2 Die Entstehung der Dachorganisation „Khoybun” und der Ararat-Aufstand von 1927-1932 / 115
4.4.3 Der Saycd Rcza Aufstand in Dersim 1937- 1939 / 124
4.5 Die Kurden in Syrien / 129
4.6 Die Kurden im Irak / 133
4.6.1 Der Aufstand von Schcikh Mahmoud Hafidi Barzandjie / 135
4.6.2 Der Barzani Aufstand von 1932- 1944 / 157
4.7 Die Kurden im Iran / 158
4.7.1 Ismaiil Agha Simtku (Scmitqu oder Simko) / 161
4.7.2 Der Niedergang der Qadjari-Dynastie im Iran / 169
4.7.3 Aufstieg und Niedergang des Diktators Reza Schah im Iran / 170
5. Kapitel: Vorabend der Entstehung der Mahabad-Republik / 187
5.1 Das Verhältnis der Kurdenführer zu den Alliierten und zur Zentralregierung in Teheran / 194
5.2 Vorbereitungen zur Gründung politischer Parteien in Mahabad / 201
5.2.1 Die kurdische Organisation Kummaleh-i Jiyanawey Kurd / 203
5.2.1.1 Die Gründung der Kummaleh-i J.K / 204
5.2.1.2 Ziele und Programm der Kummaleh-i J.K / 206
5.2.1.3 Kontakte der Kummaleh-i J.K. zu den Kurden in Irakischund Türkisch-Kurdistan / 208
5.2.1.4 Verhältnis der Kummaleh-i J.K. zur Sowjetunion / 209
5.2.1.5 Schwächen der Kummaleh-i J.K / 210
5.2.2 Die Demokratische Partei Kurdistan (DPK)-Iran / 213
5.2.2.1 Die Gründung der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran / 216
5.2.2.2 Einfluß der Sowjetunion / 219
5.2.2.3 Programm der Demokratischen Partei Kurdistan-Iran / 221
5.2.2.4 Beziehung zur Demokratischen Partei Azerbeidschan-Iran / 226'
5.2.2.S Der erste Parteitag der Demokratischen Partei Kurdistan-
Iran / 232
6. Kapitel: Die Mahabad-Republik 1946—1947 / 236
6.1 Die praktische Entmachtung der Zentralregierung in der Mahabad-
Region / 236
6.2 Die Debatte um die Einrichtung von Provinzialräten / 238
6.3 Die Proklamation der Mahabad-Republik / 241
6.3.1 Die Mahabad-Republik und die Interessen der Alliierten in der
Region / 246
6.3.2 Die Beziehungen der autonomen Regierung von Mahabad zur Zen-
tralregicrung / 253
6.3.3 Die Beziehungen der autonomen Regierung in Mahabad zur Nationalen Regierung Azerbeidschan / 255
6.3.4 Schritte zur Verwirklichung des Regierungsprogramms / 262
6.3.4.1 Aufbau eigener Militäreinheiten / 262
6.3.4.2 Herausgabe kurdischer Zeitungen und Einführung des
Schulunterrichts in kurdischer Sprache / 265
6.3.4.3 Verbesserung der gesellschaftlichen Situation der Frauen / 266
6.3.4.4 Die Versuche zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation / 267
6.4 Die Lage der Mahabad-Republik während der letzten Monate ihres
Bestehens / 269
6.4.1 Die Politik Qawam al-Saltanehs gegenüber den autonomen Regierungen / 270
6.4.2 Die Mahabad-Republik und die Niederlage der Nationalen Regierung Azerbeidschan / 271
7. Kapitel: Das Scheitern der Mahabad-Republik nach einem Jahr
Selbstbestimmung des kurdischen Volkes / 274
7.1 Die historische Entscheidung Qazi Mohammads bezüglich des
Schicksals der Mahabad-Republik / 275
7.2 Die Zulassung des Einmarschs des Militärs in die Stadt Mahabad / 277
7.3 Die Festnahme Qazi Mohammads, Seif-e Qazis und Sadr-e Qazis / 279
7.4 Das geheime Militärgerichtsverfahren gegen die Qazis / 280
7.5 Der Kampf der Barzanis gegen die Streitkräfte der Zentralregierung
im Iran / 286
7.6 Ursachen der Niederlage der Mahabad-Republik / 290
7.6.1 Unrechtmäßige Zerschlagung durch die Zentralregierung / 291
7.6.2 Schwächen der Mahabad-Republik als Ursachen des Scheitems / 291
7.7 Beurteilung der Mahabad-Republik und ihrer Wirkungen / 294
7.7.1 Breite Zustimmung der kurdischen Bevölkerung zur Mahabad-Republik / 295
7.7.2 Eigenständige Entwicklung der Mahabad-Republik / 297
7.7.3 Die Mahabad-Republik als Vorbild der kurdischen Bewegung in
allen Teilen Kurdistans / 299
C. Zusammenfassung / 301
D. Schlußwort / 304
E. Worterklärung / 306
F. Anhang / 307
F.l Guran: Der älteste Teil des kurdischen Volkes und dessen Religion Ahl-i Haqq / 307
F.l .1 Einleitung / 307
F.l.2 Entstehungsgeschichte der Ahl-i Haqq / 309
F. 1.2.1 Ursachen der Gründung der Ahl-i Haqq sowie anderer religiöser
Minderheiten innerhalb des islamischen Herrschaftsgebiets / 309
F. 1.2.2 Erscheinung des Schah Khoschin sowie Gründung und Entwicklung der Religion / 315
F.l.2.2.1 Umro Ibn Lahab, bekannt als Bahlul / 316
F. 1.2.2.2 Schah Fasl-e Vali / 316
F. 1.2.3 Die Erscheinung Sultan Sahaks und die Festlegung religiöser
Gebote / 319
F.l.2.3.1 Die Geschichte der Erscheinung von „Baba-Yadegar" / 322
F. 1.2.4 Die Erscheinung von Sayed Brakkeh und die Ära von „Yaritani” / 323
F.l.3 Lehre und Philosophie der Ahl-i Haqq / 325
F. 1.3.1 Das Wort Ahl-i Haqq bzw. Ali Ellahi oder Kakaie / 326
F.l.3.2 Entstehung der Welt . / 327
F. 1.3.3 Die vier Entwicklungsperioden / 328
F.l.3.4 Fasten / 331
F. 1.3.5 Gebet / 331
F.l.3.6 Religiöse Feste v / 331
F. 1.3.7 Taufe eines Ahl-i Haqq / 331
F.l.3.8 Heilige Tiere / 332
F.1.4 Bedeutung dieser „heiligen Schriften” der Ahl-i Haqq / 332
F.1.5 Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Religion sowie ihrer heiligen Schriften mit anderen Religionen und ihren heiligen Schriften / 333
F. 1.5.1 Gemeinsamkeiten / 333
F. 1.5.2 Unterschiede / 334
F.2 Politische Biographie zweier kurdischer Persönlichkeiten (Qazi Mohammad und Mulla Mustafa Barzani) / 336
F.2.1 Qazi Mohammad / 336
F.2.1.1 Die Familie von Qazi / 336
F.2.1.2 Qazi Mohammad (1900- 31. März 1947) / 341
F.2.2 Mulla Mustafa Barzani (in kurdisch: Berzani) / 344
F.2.2.1 Der Stamm Barzan / 344
F.2.2.2 Die Familie Barzani / 344
F.2.2.3 Mulla Mustafas politische Laufbahn / 349
F.3 Chronologie der kurdischen Geschichte / 353
G. Bibliographie / 365
Geographisches Verzeichnis / 373
Namensverzeichnis / 378
Sachverzeichnis / 385
VORWORT
Der Name Kurdistan und die Probleme der kurdischen Bevölkerung als nationale Minderheit sind bekannt, sogar sehr bekannt. Leider wissen aber nur sehr wenige Menschen, wo Kurdistan überhaupt liegt, wie groß dieses Land ist, wie hoch die Bevölkerungszahl der Kurden ist, wie das kurdische Volk lebt, wie es zu seinen Nachbarvölkern steht, was, seine Probleme im einzelnen sind und schließlich, warum sich dieses Volk im dauernden Kampf mit den Mächtigen befindet.
Als Angehöriger des kurdischen Volkes habe ich meine Aufgabe darin gesehen, im Rahmen der Darstellung eines bestimmten Kreignisses in der Geschichte der kurdischen Aufstände den oben erwähnten Fragen und allen damit zusammenhängenden Problemen \ nachzugehen. Zur Untersuchung und Darstellung des kurdischen Kampfes für Freiheit und Autonomie habe ich die Mahabad-Republik, die von 1946- 1947 im iranischen Kurdistan bestand, ausgewählt.
Im Jahre 1972 bin ich zum ersten Mal in meinem Leben nach Mahabad gefahren. Die Stadt Mahabad im Zentrum von Nordkurdistan, in der im Jahre 1946 die Mahabad-Republik ausgerufen wurde, ist für uns Kurden ein Symbol. Obwohl die autonome kurdische ’ Republik nur knapp ein Jahr lang überleben konnte und auch nur im kurdischen Gebiet des Iran bestanden hat, bleibt die Erinnerung an sie im Herzen aller Kurden.
In meiner Jugendzeit habe ich öfter über die Mahabad-Republik und Qazi-Mohammad, ihren bedeutenden Führer, gehört und mir immer gewünscht, mehr über die damaligen, Ereignisse zu wissen. Die Reise nach Mahabad schenkte mir die Gelegenheit, die Entstehung, das Leben und die Niederlage der Mahabad-Republik von einem alten kurdischen Kämpfer, der diese Zeit in Mahabad mitcrlebt hat, zu erfahren. Dies war für mich eine zusätzliche Motivation, die bis zu dieser Zeit im Iran noch erlaubten Veröffentlichungen über die Kurden im allgemeinen und speziell über die Mahabad-Republik zu lesen. Während meines Studiums hier in Europa hatte ich dann die Chance, über den politischen und militärischen Kampf der Kurden zur Erringung ihrer nationalen, gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen und kulturellen Rechte zu forschen.
Warum habe ich gerade die Mahabad-Republik in den Mittelpunkt meiner Arbeit gestellt? Hierfür kann ich drei Gründe nennen:
Erstens: Die autonome Republik von Mahabad im Jahre 1946/1947 war eines der wichtigsten und bedeutendsten Ereignisse in der Geschichte der Nationalbewegungen Kurdistans. Diese Republik war ein langfristiges Ziel und ein Wunsch der Mehrheit der Kurden. Ein Ziel war erreicht worden, wofür das kurdische Volk jahrhundertelang gekämpft hatte. Obwohl sich die Mahabad-Republik nur auf das kurdische Gebiet des Irans beschränkte, hat sie auch für die kurdische Bevölkerung der übrigen Länder Symbolcharakter, da sic das einzige Beispiel für autonome Selbstverwaltung in der kurdischen. Geschichte des 20. Jahrhunderts darstellt.
Zweitens: Die autonome Mahabad-Republik war ein Wendepunkt in der Geschichte des kurdischen Freiheitskampfes. Es war das erste Mal, daß eine Bewegung in ganz Kurdistan unter der Führung einer wohlorganisierten politischen Partei siegte. Es war auch das erste Mal, daß das kurdische Volk erfuhr, daß ohne eine politische Partei mit einem entsprechenden Programm, das den Willen des Volkes widerspiegelt, kein Erfolg erwartet werden kann. Es ist zu erwähnen, daß die politischen Parteien im heutigen Sinne in Kurdistan erst seit der Entstehung der Mahabad-Republik existieren.
Drittens: Die autonome Mahabad-Republik erweckte bei den Großmächten viel mehr Aufmerksamkeit als alle anderen kurdischen Bewegungen und Aufstände in der Geschichte Kurdistans. Das politische Gleichgewicht in dieser Region war für die Großmächte von dem Sieg oder der Niederlage dieser autonomen Republik abhängig. Obwohl sie das kurdische Volk gelegentlich unterstützten, wollten sie keinesfalls auf ihre Einflußmöglichkei-ten bei den Zentralregierungen in Teheran, Baghdad und Ankara verzichten. Gerade deswegen wurde diese autonome Republik mehr als andere Bewegungen in der kurdischen Geschichte beschimpft und es wurde mit allen Mitteln versucht, sie als „Satelliten” einer Großmacht zu diffamieren.
Wenn man versucht, eine wissenschaftliche Arbeit über ein geschichtliches und politisches Thema zu schreiben, muß einem klar sein, daß man eine verantwortungsvolle Aufgabe übernommen hat. Da es aufgrund der Komplexität der Ereignisse oft keinen Nachweis für bestimmte Zusammenhänge im naturwissenschaftlichen Sinne gibt, ist es besonders wichtig, das Geschehen ohne Rücksicht auf die eigenen Interessen, frei von einer bestimmten Ideologie und objektiv zu erforschen und darzustellen.
Wer dies beachtet, wird nicht nur sich selbst Ehre verschaffen, sondern erweist der vorangegangenen wissenschaftlichen Arbeit Hochachtung.
Fehler oder Irrtümer sind unvermeidlich. Deshalb ist es möglich, daß ich mich in mancher Hinsicht irre und mit meiner Beurteilung über die Arbeit oder Forschung anderer Unrecht habe. Ich versuche mein Bestes und hoffe, daß ich in meiner Arbeit objektiv und sachlich bin. Vor etwa 10 Jahren las ich im Vorwort eines Buches: „Wenn Sie Besseres nicht anbieten können, erniedrigen Sie bitte nicht die Arbeit von anderen.”
In diesem Sinne bemühe ich mich und hoffe, daß ich in dieser Arbeit etwas Neues und bis heute Unerforschtes anbieten kann, wodurch die Wissenschaft bereichert und zur weiteren Forschung über Kurdistan und das Kurdenproblem angeregt wird.
Heidelberg, den 18.12.1989
A. Einleitung
Diese Arbeit sollte sich eigentlich auf ein bestimmtes Ereignis in einer bestimmten Zeitspanne, nämlich auf „Ein Jahr autonome Regierung in Kurdistan — die Mahabad-Repu-blik 1946-1947” beschränken.
Eine solche Beschränkung war jedoch aus folgenden Gründen nicht möglich:
Um die Bedeutung der Mahabad-Republik verstehen und sie richtig einordnen zu können, ist es notwendig, den geschichtlichen Zusammenhang, in dem sie steht, nämlich die uralte Geschichte der Aufteilung des kurdischen Volkes, die zu seiner extremen Unterdrückung und zu immer wieder neuen kurdischen Aufstandsbewegungen geführt hat, darzustellen. Nur so kann verdeutlicht werden, daß die Mahabad-Republik kein in sich abgeschlossenes Ereignis, sondern der bisherige Höhepunkt und bisher größte Erfolg des kurdischen Kampfes um Freiheit und Selbstbestimmung ist, der, wie wir wissen, seitdem fortdauert.
Es ist zu bedauern, daß bis heute noch keine vollständige Aufklärung über die Mahabad-Republik geleistet und keine unabhängige Arbeit besonders über dieses wichtige Ereignis, welches in den letzten 180 Jahren kurdischen Freiheitskampfes einmalig war, geschrieben wurde. So weiß die Weltöffentlichkeit sehr wenig über die Mahabad-Republik. Auch beruhen Berichte, die über die Maliabad-Republik veröffentlicht wurde, meistens auf Informationen aus zweiter und dritter Hand. Schließlich kann man sagen, daß das, was die Außenwelt über die Mahabad-Republik weiß, weitgehend von denjenigen geschrieben und geprägt worden ist, die entweder dem kurdischen Volk feindselig gegenüberstehen oder ihre eigenen ideologischen und politischen Interessen viel wichtiger als das Schicksal dieses Volkes genommen haben.
In diesem Zusammenhang kann man auch nicht von denjenigen, die das Land Kurdistan unter sich aufgeteilt haben, erwarten, daß sie die Wahrheit über das Schicksal des Volkes an die Öffentlichkeit bringen. Ebenso wenig man kann von den Diktatoren, die dem Volk elementare Rechte, wie das Recht, die eigene Muttersprache zu sprechen,1 nehmen, erwarten, daß ihre Geschichtsschreibung und ihre Informationen über das Schicksal des Volkes sowie über die Ereignisse in diesem Land der Wahrheit entsprechen. Entsprechend stellt der größte Teil der Informationen und des geschriebenen Geschichtsbilds der kurdischen Aufstände, besonders der Mahabad-Republik, eine Verdrehung der Tatsachen dar. Die Zahl der objektiven Arbeiten über Kurdistan und die Kurden ist dagegen sehr gering.
1 Als Beispiel siehe Frankfurter Rundschau von 11. 10. 1982, Frankfurt aiji Main: „Durch einen ,Geheimbefehl’ des türkischen Kriegsrechtskommandanten in Diyarbakir an die „Stellvertretenden Kriegsrechtskommandanten’ in Ost-Anatolien wurde bekannt, daß allein das Sprechen der kurdischen Sprache streng bestraft wird. In dem Befehl 7130-1299-82 heißt es, ,daß keine andere Sprache als die türkische verwendet werden darf. Auch gegen die, die es dulden, daß auf öffentlichen Ämtern kurdisch gesprochen wird, .werden die gesetzlichen Maßnahmen nach Paragraph 140/2 des Kriegsrechts angewendet’. Danach wind mit bis zu fünf Jahren Zuchthaus bestraft, wer die Türkei spalten will, ln dem Geheimbefehl heißt es weiter, daß ,auch die Vorgesetzten, die es dulden, daß kurdisch gesprochen wird, mit strengster Bestrafung zu rechnen haben’. Unterzeichnet ist der Befehl von Kemal Yamak, dem Kriegs-reehtskommandanten von Ost-Anatolien.”
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Golmorad Moradi
Ein Jahr autonome Regierung in Kurdistan
Die Mahabad-Republik 1946-1947
Hochschule
Hochschule Bremen
Ein Jahr autonome Regierung in Kurdistan
Die Mahabad-Republik 1946-1947
Geschichte der kurdischen Aufstandsbewegungen von der
arabisch-islamischen Invasion bis zur Mahabad-Republik
Golmorad Moradi
Impressum Hochschule Bremen
© Hochschule Bremen
Alle Rechte Vorbehalten
Reihe Kurdistan
Band 1
Verlag
Hochschule Bremen, Rektor
Neustadtswall 30
2800 Bremen 1
Telefon 0421/5905221
1. Auflage Bremen 1992
ISBN 3-929089-00-9
Bildquellenerläuterung und –quellennachweis
Titelbild
Zwei Peschmerga in Iranisch-Kurdistan im Jahre 1983
Seite 222
Foto von 21 Gründerpersönlichkeiten der Kummaleh-i J.K., das im Jahre 1942
im Garten von Sisseh in Mahabad bei der Gründung der Organisation aufgenommen wurde. Das Bild stammt aus der privaten Sammlung von Dr.Aziz Feiznejad, einem langjährigen Freund des Verfassers, und ist bis heute nicht veröffentlicht worden.
Seite 334
Derwisch Yarmorad Khalifeh, einer der wichtigsten Religionsführer der Yadegari-Konfession der Ahl-i Haqq im Iran. Derwisch Yarmorad Khalifeh hat die Heiligen Schriften der Ahl-i Haqq des 13.,14.,18., und 19. Jahrhunderts gesammelt und im Verlauf von 16 Jahren erstmals in einem Band von 2090 Seiten handschriftlich zusammengefaßt. Dieses in der Welt einmalige Sammelwerk ist aus Verwandtschaftsgründen zur Zeit im Besitz des Verfassers.
Diese Arbeit wurde an der Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaft
— Seminar für politische Wissenschaft — der Universität Heidelberg 1991 als
Dissertation angenommen.
Referent: Prof. Dr. Sarkisyanz
Koreferent: Prof. Dr. Schall