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Die Abschiebung oder Wer tötete Mahmut Perver?


Auteur :
Éditeur : Benziger Date & Lieu : 1984, Zürich & Köln
Préface : Pages : 190
Traduction : ISBN : 3 545 33111 3
Langue : AllemandFormat : 125x195 mm
Code FIKP : Liv. Ger. Wol. Abs. N°788Thème : Littérature

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Die Abschiebung oder Wer tötete Mahmut Perver?

Die Abschiebung oder Wer tötete Mahmut Perver?

Klaus-Peter Wolf

Benziger

Elke Stobbe, 18 Jahre, Schülerin, erklärt ihren Eltern: Ich habe einen Kurden geheiratet, damit er nicht in die Türkei ausgeliefert wird. Die Eltern sind entsetzt. Der Vater will die Ehe annullieren lassen und trifft sich mit dem Kurden Mahmut. Hier gerät sein Weltbild ins Wanken. Er muß mit ansehen, daß Türken wie Menschen zweiter Klasse behandelt werden, erfährt, daß auf Mahmut in der Türkei der Tod wartet und er nur ein Asylrecht bekommt, wenn er verheiratet ist. Der Vater ist erstaunt über die Härte gegen die Asylanten, und sein Gerechtigkeitssinn erwacht. Etwas Neues tritt in das Leben dieses pflichtbewußten Studienrates. Er engagiert sich für die Kurden und Türken. Bis er erkennt, daß die Lawine, die er ins Rollen brachte, ihn selbst zu überrollen droht. Und ohnmächtig muß Elke feststellen, daß ihre gute Absicht von den Behörden mißbraucht wurde.

«Jetzt, da alles vorbei war, hätte sie es am liebsten herausgeschrien: «Ja, ich habe es getan! Ich, Elke Stobbe!» Verflogen war die erniedrigende Angst, entdeckt zu werden. Keine miese Geheimhaltung mehr. Kein Sprechen hinter vorgehaltener Hand. Keine Furcht vor Verrat. Kein Flüstern am Telefon.
Mit einemmal waren alle Befürchtungen und Einschränkungen verschwunden. Sie fühlte sich großartig. Übermütig und durchtrieben. Befreit von einem unerträglichen Druck. Dämme in ihr waren gebrochen. Wellen bedenkenloser Leichtigkeit durchfluteten sie. Sie konnte jetzt fröhlich mit dem Schlimmsten rechnen, denn das Schlimmste, was immer es sein mochte, machte ihr nichts mehr aus.»



Klaus-Peter Wolf geboren 1954 in Gelsenkirchen, Abitur, abgebrochenes Studium. Er lebte mit Rockern, organisierte ein Jugendheim, vagabundierte kreuz und quer durch Europa. K.-P. Wolf lebt jetzt im Westerwald, wo er eine Initiative zur Unterstützung türkischer und kurdischer Asylbewerber gründete. Klaus-Peter Wolf schrieb Bücher und Hörspiele.
Ein 18jähriges Mädchen heiratet zum Entsetzen der Eltern einen Türken. Der Vater von Elke, der sich für eine Annullierung der Ehe einsetzt, spürt erst jetzt, wie hart die Behörden gegen Asylanten Vorgehen. Durch sein Engagement für die Kurden und Türken bringt er vieles in Gang, das auch ihn selber bedroht.

 


I

Jetzt, da alles vorbei war, hätte sie es am liebsten herausgeschrien: «Ja, ich habe es getan! Ich, Elke Stobbe!»
Verflogen war die erniedrigende Angst, entdeckt zu werden. Keine miese Geheimhaltung mehr. Kein Sprechen hinter vorgehaltener Hand. Keine Furcht vor Verrat. Kein Flüstern am Telefon.

Mit einemmal waren alle Befürchtungen und Einschränkungen verschwunden. Sie fühlte sich großartig. Übermütig und durchtrieben. Befreit von einem unerträglichen Druck. Dämme in ihr waren gebrochen. Wellen bedenkenloser Leichtigkeit durchfluteten sie. Sie konnte jetzt fröhlich mit dem Schlimmsten rechnen, denn das Schlimmste, was immer es sein mochte, machte ihr nichts mehr aus.

Seitdem sie es getan hatte, ging sie leichtfüßiger. Die Straße wurde für sie zum Trampolin. Gern hätte sie eine Kaugummiblase vor dem Mund zerplatzen lassen.

Die Leuchtreklame vom Flipperladen spiegelte sich vor ihr in einer Pfütze. Der Regen hatte nachgelassen. Frische Feuchtigkeit glänzte auf den Dächern. Erst jetzt wurde ihr bewußt, wie viele unterschiedliche Schwarztöne es gab. Die wenigen Bäume hoben sich dunkel von den Häuserfassaden ab. Das silberne Schwarz der Dächer und das bläuliche Schwarz des Himmels.

Elke Stobbe stand, den Kopf in den Nacken gelegt, vor der Boutique Marion und atmete so bewußt wie möglich. Selbst in die entferntesten Verästelungen ihrer Lungenbläschen wollte sie Sauerstoff pumpen. Gern hätte sie den Sternenhimmel in sich aufgesaugt. Vom Mond sah sie nur eine kleine Sichel, die sie an die türkische Flagge erinnerte.

Sie breitete ihre Arme aus, die Handflächen nach oben. Für Sekunden glaubte sie, abheben zu können. Ohne die geringste Kraftanstrengung hinaufzuschweben. Leichter zu werden als Luft. Die Stadt unter sich zurückzulassen. Eins zu werden mit dem Universum.

Vielleicht lag es am Raki? Sie spürte den Anisgeschmack bei jedem Einatmen. Noch brannten ihre Lippen von dem scharf gewürzten Hammelfleisch.

Ein Auto rollte auf sie zu. Sie hörte das Surren der Reifen auf der nassen Fahrbahn. Kleine Wasserfontänen klatschten gegen den Bürgersteig. Ein Motorengeräusch nahm sie nicht wahr.

«Na, Mädchen, bist du Schlafwandlerin oder vollgekifft?»

Schlagartig wurde ihr bewußt, in welch merkwürdiger Pose sie dastand. Noch vor ein paar Stunden hätte sie sich jetzt ängstlich weggestohlen. Fast jeden zweiten Abend, wenn sie zu Fuß nach Hause ging, wurde sie von irgendwelchen Männern angemacht. Wenn das aus einem Auto heraus passierte, nutzte es nichts, schneller zu laufen. Aber sie ging dann so dicht wie möglich an der Häuserzeile entlang. Eine Klassenkameradin von ihr war einmal in ein langsam fahrendes Auto gezerrt worden. Mitten in der Stadt. Es waren drei junge Männer. Sie hatten sie eine Weile befummelt, versucht sie auszuziehen und dann wieder freigelassen.
Sie hatte noch Glück gehabt.

Elke drehte sich ohne jede Eile um, stemmte die Fäuste …




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