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Kurdologie: Kurden in Europa - 4


Auteurs : | | |
Éditeur : Lit Date & Lieu : 2001, Münster
Préface : Pages : 432
Traduction : ISBN : 3-8258-5526-0
Langue : AllemandFormat : 135x210mm
Code FIKP : Liv. Ger. Amm. Kur. N° 91Thème : Général

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Table des Matières Introduction Identité PDF
Kurdologie: Kurden in Europa - 4

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Kurdologie: Kurden in Europa - 4

Birgit Ammann

Lit

Die vorliegende Arbeit stellt Erscheinungsformen kurdischer Identität in der Migration vor und schließt damit eine nicht nur im wissenschaftlichen Bereich bestehende Lükke. Nach einer ausführlichen Diskussion von Ethnizitäts - und Diasporatheorien werden Ausprägungen kurdischen Lebens in der Bundesrepublik Deutschland und in Europa aus einer transnationalen Perspektive beschrieben und analysiert. Behandelt w erden u. a. Aspekte wie Selbst- und Fremdethnisierung, familiäre Bindungen. Sprache, religiöse Loyalitäten. politische Vorstellungen und Zukunftsperspektiven. Die vorzüglich lesbare Studie, die auf einer Langzeituntersuchung beruht, richtet sich an Sozialwissenschaft und interessierte Öffentlichkeit gleichermaßen. Sic basiert unter anderem auf qualitativen Interviews. die in verschiedenen europäischen Staaten mit Kurdinnen und Kurden aus der Türkei, dem Irak, dem Iran und Syrien durchgeführt w urden.
Es ist zu hoffen, daß diese umfangreiche Analyse der kurdischen Diaspora in Europa als Ausgangspunkt für weitere Betrachtungen über Kurdinnen und Kurden in der Migrations- und Diasporaforschung dienen wird.


Li Xeribiya / In der Fremde
Heger çûye xeribiya / Wenn du in die Fremde gegangen
û dir ketî ji welatî / und dich weit von der Heimat entfernt hast
tu ji bir ne ke me hemiya / vergiß uns alle nicht.
Her dê gehin baweriya. / Irgendwann werden unsere Hoffnungen wahr.

Çabê bide pir û kala / Bestell den Alten und den Greisen
Da bizivrin eve nik hevala / sie sollen zu ihren Freunden zurückkommen.
Kurdistana şîrîne / Süßes Kurdistan
ji bîr ne ken hezar sala. / in tausend Jahren vergessen wir dich nicht

Ere ey ho ey heval / Ach, ach ihr Freunde
deyika berdet rundket zalal. / die Mutter weint klare Tränen.
Bizivre eve ber singet wê / Kommt zurück an ihre Brust
da bes bigrit pire kala. / damit ihr Weinen eine Ende hat

Ta balinde çend zivritin / Wie lange der Vogel auch kreist
her de zivrit eve axa xu. / an seinen Platz kehrt er zurück.
Her çend nexuşiya bînîn / Wieviel Unglück wir auch sehen
her dê minin xu bi xu. / wir bleiben doch immer wir selbst.

Tahsin Taha 1941-1995

VORWORT DER HERAUSGEBER-INNEN

Das vorliegende Buch beleuchtet Erscheinungsformen kurdischer Identität in der Migration und schließt damit eine Lücke gerade im deutschsprachigen Raum, wo besonders viele Kurden leben. Die Verfasserin läßt sich dabei differenziert auf die in den modernen Sozialwissenschaften häufig mit Skepsis betrachteten Themenkomplexe »ethnische Grenzen« und »materielle Kultur« ein. Über die fundierte sozialwissenschaftliche Analyse hinaus holt sie die Kurden Europas aus einer oftmals stigmengeprägten Anonymität, schreibt nicht nur über sie, sondern läßt ihre Interviewpartner und -Partnerinnen selbst ausführlich zu Wort kommen.

Birgit Ammann vermittelt als Hintergrund auch die historischen Bedingungen und die politische Entwicklung in den vier Herkunftsstaaten der europäischen Kurden, so daß thematische Quereinsteiger die Möglichkeit haben, die Geschichte kurdischer Zuwanderung nachzuvollziehen und die Situation kurdischer Migranten einzuordnen. Eine akribisch recherchierte Zusammenstellung von Zahlen und anderen Daten zu kurdischen Gruppen in den verschiedenen europäischen Ländern bietet der Leserschaft grundlegende Fakten. Religiöse, sprachliche, regionale und verwandtschaftliche Loyalitäten, nationalstaatliche Einflüsse, politische Vorstellungen und mögliche Zukunftsperspektiven werden in ihrer Verschränktheit und Heterogenität beschrieben.

Die vorliegende Arbeit ist die erste empirische Langzeitstudie, die sich ausführlich mit der transnationalen kurdischen Diaspora im westlichen Europa beschäftigt. Ihre Grundlage bilden Literaturstudien, dokumentarisches Material, jahrelange teilnehmende Beobachtung und zwei im Abstand von zehn Jahren durchgeführte Interviewreihen mit einer Auswahl kurdischer Migrantinnen und Migranten unterschiedlichen Hintergrunds und unterschiedlicher Lebenssituation. Trotz der Einbindung in den theoretischen Rahmen moderner Diasporaforschung weist die Arbeit auch Charakteristika einer klassischen Ethnographie auf und dürfte damit dem nach wie vor bestehenden Bedürfnis nach einer Übersicht entgegenkommen.
Das Buch von Birgit Ammann wird Ausgangsbasis nicht nur für interessante Diskussionen, sondern hoffentlich auch für weitere Betrachtungen der kurdischen Frage in der Migrations- und Diasporaforschung werden. Wir empfehlen es deshalb nicht nur allen Kurdologen und Kur-dologinnen als »Pflichtlektüre«, auch in der Migrationspolitik und der Sozialarbeit sollte es beachtet werden.

Unser Dank gilt allen, die auf unterschiedliche Weise zum Gelingen der Herausgabe dieses Bandes beigetragen haben, insbesondere aber dem Künstler Riza Topal, von dem das Umschlagbild stammt, sowie Susanne Schmidt und Bettina Kemmerich, die geduldig viele Stunden Kleinarbeit beisteuerten.

Berlin, im März 2001
Carsten Borck, Eva Savelsberg, Siamend Hajo



Vorwort

Ich entstamme einer Generation, deren Angehörige manchmal als kleine Geschwister der sogenannten Achtundsechziger bezeichnet werden. Seit dem Einsetzen unseres Intellekts konnten wir mit Nationalgefühlen, insbesondere westlichen und ganz besonders deutschen, nichts anfangen, außer vielleicht innerlich aggressiv auf sie zu reagieren. Unser unreflektiertes Lieblingsfeindbild war das deutsche Spießertum, ein persönliches Heimatverständnis gab es nicht. Manchmal war da sogar eine Art Sehnsucht, unter den Vorfahren jemand besonderen zu finden, mit dem wir uns jeweils hätten identifizieren können. Viele von uns genossen in jungen Jahren das Privileg, auf der Suche nach dem unbestimmbar Anderen extensiv Länder der sogenannten Dritten Welt zu bereisen. Als Kind eines klassischen Flüchtlings bin ich gleichzeitig mit Schilderungen von Entwurzelung und Sehnsucht nach mental heimatlichen Landschaften aufgewachsen. Aus diesen persönlichen Vorgaben rührt offenbar mein besonderes Interesse an ethnisch-identitären Prozessen und den diversen Vorstellungen von Zugehörigkeit. Im Rahmen verschiedener Fächerkombinationen mündete es in den Studienschwerpunkt »ethnische Minderheiten«.

Mit den Kurden verbindet mich in besonderer Weise mein transethnisches Familienleben. Durch verschiedene berufliche Tätigkeiten im Wissenschaftsbereich und in der Sozialarbeit hatte ich außerdem über Jahre Gelegenheit, verschiedenste Aspekte kurdischer Realität in der Migration kennenzulernen. Für das Verständnis der Lebenswelten kurdischer Migranten kamen mir überdies regelmäßige Aufenthalte in kurdischen und nichtkurdischen Gebieten der Türkei und im Nordirak sehr zugute. Der Langzeitcharakter der hier vorgelegten Dissertation hat sich aus meinen persönlichen und beruflichen Lebensumständen ergeben. Die Jahre der Unterbrechung haben mir eine Distanz gewährt, die ich als sehr produktiv empfunden habe. Erfahrungen im Berufsleben lehrten mich strukturierter, kritischer und disziplinierter zu arbeiten als zu Beginn der Forschungsarbeit.

Ich hoffe, in dieser Arbeit Ästhetik und Wissenschaft insofern zu vereinbaren, als daß sie über die bekannten Anforderungen hinaus lesbar, verständlich und unterhaltsam ist. So erklärt sich unter anderem mein eher unkonventioneller Umgang mit der Schreibweise von Begriffen aus verschiedenen Sprachen des Mittleren Ostens. Sie erfolgt nicht ohne System, entspricht jedoch auch keinem durchgängigen Standard. Eine Erläuterung dazu findet sich im Anhang.

An der Entstehung dieser Arbeit waren naturgemäß viele, viele Leute beteiligt. Diejenigen, die ich hier nicht aufzählen kann, bitte ich, mir dies persönlich nachzusehen. Mit allen, die ich im Folgenden nenne, verbinden mich und diese Arbeit viele kleine und große, sehr unterschiedliche, besondere Geschichten.

Allen voran danke ich von Herzen meinen kurdischen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern die hier anonym zu bleiben haben. Ihre Biographien, ihre jeweilige Lebenseinstellung und nicht zuletzt ihre Freundlichkeit bilden die wichtigste Grundlage für diese Arbeit. Natürlich wäre es mir am liebsten, wenn sie sich alle in positiver Weise wiedererkennen könnten. Ich bedanke mich bei Ferhad Ibrahim, der die Arbeit in den entscheidenden Phasen akademisch gut und kritisch betreut hat. Ich schulde weiterhin besonderen Dank für wertvolle Informationen und Anregungen, konstruktive Kritik und moralische Unterstützung: Fiona Adamson, Abraham Ashkenasi, Riza Baran, Jochen Blaschke, Carsten Borck, Sertaç Bucak, Friedemann Büttner, Kamal Fuad, Gülistan Gürbey, Dshingiskhan Hasso, Hüseyin Kartal, Yayla Mönch-Bucak, Sipan Rasch, Hemreş Reşo, Giyas Sayan, Beko Saydam, Omar Sheikhmous, Barbara Sträuli Arslan, Miranda Watson und Czarina Wilpert. Bettina Kemmerich und Susanne Schmidt haben dankenswerterweise das vermeintlich druckfertige Manuskript gelesen und dabei noch manchen Lapsus bereinigt.

Meinen Eltern und Geschwistern danke ich für ihr nicht nachlassendes Interesse, das geduldige Ertragen langer Monologe und praktische Unterstützung. Meinem Mann Dimokrat Taha, ohne dessen Anregung ich letztlich den Zugang zum Thema und zu den Informanten in dieser Form nicht gefunden hätte, danke ich besonders für sein unerschütterliches Zutrauen und Ausharren, auch seiner Familie gebührt Dank. Unserer Tochter Havin, die mich in den ersten Jahren ihres Lebens viel zu häufig am »Pontjuter« erlebte, wünsche ich, daß sie von dieser Arbeit später in persönlicher und positiver Weise profitieren kann.

In den Jahren 1987/88 erhielt ich Förderung durch ein Promotionsstipendium der Freien Universität Berlin. Es bereitet mir besondere Freude, dort mitzuteilen, daß ich entgegen statistischer Wahrscheinlichkeit und zwischenzeitlich oft genug auch entgegen meiner persönlichen Einschätzung, meine finanziell und moralisch empfundene Schuld nach so vielen Jahren nun doch noch abgetragen habe.

Lob, Kritik und Anregungen zu dem hier behandelten Thema sowie vor allem regionale Informationen zu Kurden in europäischen Ländern freue ich mich unter folgender e-mail-Adresse entgegenzunehmen:

Birgit.Ammann@t-online.de

Berlin, im Februar 2001
Birgit Ammann



Einführung

panta rhei - alles fließt
Kern der Philosophie des Heraklit von Ephesos

Die vorliegende Studie untersucht Dimensionen, Erscheinungsformen und Ausprägungen von Ethnizität und Diaspora am Beispiel von Kurden in Europa. Während zu kurdischer Geschichte, kurdischem Nationalismus und aktuellen politischen Entwicklungen in den Herkunftsgebieten in den letzten Jahren umfangreich publiziert wurde, gibt es zu kurdischen Migranten im westlichen Europa bisher lediglich eine kleine Materialauswahl und vor allem kaum empirische Arbeiten. Eine große kurdische Population in Europa ist deutlich wahrnehmbar, häufig bleibt jedoch unklar, wer ihr zuzurechnen ist. Fragen nach der Definitionsgrundlage des Untersuchungsgegenstandes »Kurden« werden auch für die Ursprungsregionen immer wieder aufgeworfen. Der Faktor Staatsangehörigkeit als Zugehörigkeitskriterium entfällt, vermeintlich ethnische Kriterien werden verwirrend vielfältig dargestellt. Darauf ist am ehesten zurückzuführen, daß Arbeiten zu kurdischer Zuwanderung auch in der Migrationsforschung bisher keinen Raum einnehmen.
Dieser Lücke steht in der Innen- und Sozialpolitik europäischer Länder und in der allgemeinen Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse an den Kurden - besonders der Diaspora - gegenüber. Dies wird besonders deutlich an der entsprechenden Medienpräsenz, die sich in den letzten beiden Jahrzehnten des zwanzigsten Jahrhunderts stetig verstärkt hat.

Ethnizität gehört nicht unbedingt zu den uranfänglichen Eigenschaften von Menschen; sie ist ein Zustand hybrider und kontextabhängiger Art. Sie kann sich in ihrer Beschaffenheit und ihren Dimensionen, in ihrer Bedeutung und Aussage verändern und entwickeln. Daran anknüpfend stellt sich die Frage, wie derartige Veränderungen sich vollziehen, wovon sie möglicherweise abhängen und wie sie sich manifestieren. Ethnizität, das was eine ethnische Gruppe ausmacht, definiert sich über objektive und über subjektive Faktoren. Die Definition kann über zunehmend abstrakte, potentielle Zuschreibungskriterien in einer ständig expandierenden Liste infiniten Charakters erfolgen oder sich über Interaktionsvariationen mit als andersartig Wahrgenommenem vollziehen. Volontäre ethnische Selbstzuschreibung knüpft gewöhnlich an Begriffe aus der genannten Liste, namentlich »Abstammung« und »Heimat« sowie an spezifische ...




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