EDITORIAL
Der Dialog-Kreis: „Die Zeit ist reif für eine politische Lösung im Konflikt zwischen Türken und Kurden“, die Deutsche Sektion der internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/ Ärzte in sozialer Verantwortung', das .Komitee für Grundrechte und Demokratie', das .Netzwerk Friedenskooperative', Pro Asyl' und ,Pro Humanitate luden zum 11. Juni 2004 in das Abgeordnetenhaus Berlin zu einer Konferenz ein mit dem Thema „Die EU-Kandidatin Türkei und die Kurdenfrage“. Die Beiträge zur Konferenz sind in dieser Broschüre zusammen gestellt. Die Entscheidung über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der Türkei zur EU standen zum Zeitpunkt der EU-Wahlen im Juni 2004 vor der Tür und noch immer war der türkisch-kurdische Konflikt nicht gelöst. Nicht einmal wurde der Dialog zwischen beiden Seiten aufgenommen. Das „Fenster der Möglichkeit“ - „the window of opportunity“ wie es im englischen heißt - wurde während der 5 Jahre des einseitigen Waffenstillstands der PKK-Guerilla von türkischer Seite nicht genutzt, nun droht es, sich wieder zu schließen. Was vorausgesehen wurde, trat ein. Da die einseitige Vorleistung der kurdischen Seite keine Antwort fand, würden sich die Militanten wieder durchsetzen. Die Guerilla hat nun den einseitigen Waffenstillstand für beendet erklärt.
Diese tragische Situation, die Möglichkeit der Lösung eines 80 Jahre wahrenden Konflikts ungenutzt verstreichen zu lassen, war die starke Motivation für den Dialog-Kreis und die mitveranstaltenden Verbände, diese Konferenz einzuberufen. Wir wollten stellvertretend für die versagende Politik der Staaten die Notwendigkeit einer Politik der Aussöhnung erklären, einen ersten Versuch des Dialogs aus türkischer und kurdischer Sicht versuchen und Anregungen für die EU-Staaten geben, sich friedenspolitisch noch rechtzeitig einzumischen. Denn die Tatsache, dass das Fenster der Möglichkeit nicht genutzt wurde, ist auch den EU-Staaten anzulasten, die den Konflikt einseitig unter dem Aspekt „Terrorismus gegen staatliche Autorität' behandelten und kein Sensorium hatten für die berechtigten Anliegen der kurdischen Seite, deren Kultur von der kemalistischen Türkei ausgelöscht werden sollte.
Eine solche Konferenz kann selbstverständlich bestenfalls nur einen Anstoß geben. Wir hoffen sehr, dass dieser Anstoß das Auswärtige Amt in Berlin, die EU-Kommission in Brüssel, die türkische Politik, die türkischen und kurdischen Gruppen in Deutschland und die Öffentlichkeit erreichen wird. Sie alle waren mit Vertretern zugegen. Mögen sie den Dialog über den türkisch-kurdischen Konflikt und seine Lösung auf ihren jeweiligen Ebenen beginnen und weiter führen bis dieser Konflikt tatsächlich der Vergangenheit angehört.
Wir danken den Vortragenden und Diskutierenden der Konferenz. Wir bedanken uns auch für die großzügige Förderung von Konferenz und Veröffentlichung durch die Missionszentrale der Franziskaner, die Ärztevereinigung IPPNW, das Komitee für Grundrechte und Demokratie, durch Pro Asyl und die Stiftung Umverteilung.
Unser Dank gilt ebenso Hülya Engin, Sirri Karaman, Seydo Can, Charlotte Schmitz und Sabine Kappacher für Übersetzungen, Durchsicht, Korrektur und Abschrift von Texten. In der neusten Ausgabe 3/ 2004 der Nützlichen Nachrichten, die vom Dialog-Kreis herausgegeben werden, ist ein Kurzbericht über die Tagung abgedruckt. Diese Dokumentation geht weit darüber hinaus, indem hier die Argumente der vielen prominenten Teilnehmer differenziert zu erfahren sind.
Für die Veranstalter
Prof. Dr. Andreas Büro Koordinator des Dialog-Kreises
Mehmet Sahin Geschäftsführer
Eröffnung und Begrüßung
Giyasettin Sayan - MdL Berlin
Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde, ich begrüße Sie alle voller Freude zwei Tage vor der Europawahl zu diesem aktuellen Thema: „Die EU-Kandidatin Türkei und die kurdische Frage“.
Ich freue mich, dass wir so ausgezeichnete Gäste für die Beiträge gewinnen konnten. Als ersten möchte ich herzlich Herrn Koschnick begrüßen, der Beauftragter der Europäischen Union in Mostar war und sich um eine erfolgreiche Konfliktlösung bemüht hat, die beispielhaft sein könnte.
Ich begrüße ebenso herzlich Herrn Dr. Herbert Schnoor, den ehemaligen Nordrhein-Westfälischen Innenminister, der sich stets für die kurdische Frage offen und interessiert gezeigt hat und durch seine Reisen und Beschäftigung mit der Thematik ein Kenner der Lage wurde.
Ich begrüße herzlich Herrn Dr. med. Tarik Ziya Ekinci, einen kurdischen Politiker der ersten Stunde, der ungeduldig einer Lösung entgegensieht.
Ebenso herzlich begrüße ich Prof. Dr. Baskin Oran von der Universität Ankara, einen Politikwissenschaftler, der eine friedliche Lösung aus türkischer Sicht beleuchten wird.
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