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Zum Mann Gehätschelt Zum Mann Gedrillt


Auteur :
Éditeur : Orlanda Date & Lieu : 2010, Berlin
Préface : Pages : 240
Traduction : ISBN : 978-936937-73-2
Langue : AllemandFormat : 135x210 mm
Code FIKP : Liv. Ger. Sel. Man N° 4674Thème : Sociologie

Présentation
Table des Matières Introduction Identité PDF
Zum Mann Gehätschelt Zum Mann Gedrillt

Zum Mann Gehätschelt Zum Mann Gedrillt

Pinar Selek


Orlanda


Wie werden aus Menschen Männer? Was bedeutet Mannsein und Männlichkeit vor dem Hintergrund der Forderung nach Gleichberechtigung der Geschlechter?
Die bedeutende türkische Soziologin Pinar Selek geht diesen Fragen in der Türkei nach. Dort wird der Prozess des Mann-Werdens von so einschneidenden Erlebnissen wie Beschneidung, Wehrdienst, Arbeitssuche oder Heirat markiert.
Mit dem Anspruch, Mannsein nicht nur in der Türkei, sondern auf universeller Ebene zu hinterfragen, lädt das Buch zu einer generellen Diskussion darüber ein, wie eine sexistisch-patriarchalische Kultur Frauen und Männer unterdrückt.


Pinar Selek, ein bekanntes Gesicht der feministischen Bewegung in der Türkei, ist Soziologin und berühmt dafür, Tabuthemen anzupacken. Im Jahr 2009 erhielt sie für dieses Buch vom türkischen P.E.N.-Zentrum den Duygu-Asena-Preis. Zurzeit lebt Pinar Selek als Stipendiatin des P.E.N. Deutschland in Berlin.



VORWORT FÜR DIE DEUTSCHE AUSGABE

Das Buch, das Sie in den Händen halten, ist im Rahmen einer Studie über Männlichkeit und Männlichkeitsmechanismen in der Türkei entstanden. Generell und innerhalb eines sehr weit gefassten Rahmens handelt es von den Erfahrungen und Widersprüchen, die Männer erleben, wenn sie lernen, »zum Mann zu werden«. Vor allem aber möchte es die Umstände beleuchten, unter denen ein Mann in der Türkei zu einem »echten Mann« gemacht wird. Das Augenmerk soll dabei auf den obligatorischen Wehrdienst gerichtet werden - und nicht nur auf die Erlebnisse während des Wehrdienstes selbst, sondern auch darauf, wie gesellschaftliche
Gewohnheiten und Normen während der Zeit beim Militär zum Tragen kommen.

Es soll deutschsprachigen Lesern Zugang zu den Erfahrungen verschaffen, die Männer in der Türkei mit Männlichkeitsmechanismen machen, aber die Schilderungen in diesem Buch sagen auch viel über die türkische Gesellschaft selbst aus. Aber wirklich nur über die türkische Gesellschaft? Nur über türkischstämmige Männer? Natürlich nicht. Dieses Buch beleuchtet ebenso in anderen gesellschaftlichen und kulturellen Zusammenhängen geformte Geschlechternormen. Ob in Japan, Kenia, Australien, Amerika, Luxemburg oder in der Türkei... jede einzelne Erfahrung ist ein weiteres Detail eines nationale Grenzen überschreitenden Gesamtbildes. Indem dieses Buch einen wichtigen Ausschnitt dieses Bildes genauer betrachtet, ohne dabei den Blick auf das Ganze zu verlieren, will es gleichzeitig die Gesamtheit dieses Bildes verstehen.

Es ist sehr schwer, die bekannten Codes des Patriarchats zu entziffern, ohne die Details analysiert, ohne verschiedene historische Perioden und Erfahrungen untersucht zu haben. Wir wissen bereits, dass Weiblichkeit und Männlichkeit erlernte Attribute sind, dass zahlreiche gesellschaftliche und politische Institutionen uns unsere Geschlechtsidentität wie ein Kleidungsstück überstreifen und wir somit auf gewisse Weise standardisiert werden. Hinter vielen unserer Verhaltensweisen und -muster verstecken sich Genderisierungsmechanismen, über die wir meist nicht weiter nachdenken.

Bei meinen Fragestellungen bin ich von der Türkei ausgegangen, aber ich bin sicher, dass diese Fragen uns auch für andere Lebenswelten zu Antworten verhelfen können.

Außerdem ist es natürlich so, dass wir zusammen in einer Welt leben, die nicht nur auf ökonomischer und politischer Ebene globalisiert ist, sondern auch hinsichtlich ihrer Geschlechtsideologien. Oder, wie man in der Türkei sagt: Wir essen alle die gleiche Suppe, nur mit unterschiedlichen Löffeln.

Der Wehrdienst beeinflusst unter verschiedensten Bedingungen lebende Männer auf verschiedene Weise, aber die Ergebnisse dieser Erfahrungen gleichen sich sehr. Das bei der Armee betriebene Spiel des Helden ohne Macht, die wachsende Diskrepanz zwischen Realität und Imagination, unterdrückter Zorn, der nicht überwunden werden kann und Ängste, die nicht zugegeben werden können - all dies trifft auf sehr viele Männer in der ganzen Welt zu. Die Erfahrung der anderen hält uns einen Spiegel vor. Und in diesem Spiegel können wir Dinge sehen, die uns vorher nie an uns selbst aufgefallen sind.

Fragen über Fragen: Auf welche Weise werden deutschsprachige Männer »zum Mann«? Mit welchen Mitteln werden sie entlang einer einzigen Linie ausgerichtet? Sind die Ängste bekannt, die sowohl mit Zuckerbrot als auch mit der Peitsche unterdrückt werden? Was sind die Gemeinsamkeiten, was sind die Unterschiede zu den Erfahrungen in der Türkei? Was erwarten deutschsprachige Frauen von Männern? Und die Gesellschaft? Wie haben sich diese Erwartungen seit dem Zweiten Weltkrieg verändert? Wie funktionieren herrschende Geschlechts- und Genderisierungsmechanismen, die immer weiter verfeinert und dadurch vielleicht wirkungsvoller werden? Welcherart sind die Erfahrungen, die türkischstämmige Migranten in Europa in Bezug auf Männlichkeit machen? Welche Männlichkeitsmodelle treffen hier aufeinander?

Ich möchte, dass Sie diese Fragen beim Lesen dieses Buches im Hinterkopf behalten. Und ich hoffe, dass ich Gelegenheit haben werde, Ihre Antworten auf diese Fragen zu hören oder zu lesen.

Denn diese Übersetzung ist für mich auch eine Art Grußwort. Seit Monaten lebe ich in Deutschland. Um mein neues Buch fertig zu stellen, habe ich zuerst im Heinrich-Böll-Haus in Düren gewohnt und jetzt bin ich Gast des P.E.N.-Zentrums Deutschland, in Berlin.

Natürlich habe ich während dieser Zeit nicht nur an meinem Buch gearbeitet. Da ich aus einem feministischen und antimilitaristischen Umfeld komme, habe ich in kurzer Zeit an sehr unterschiedlichen Diskussionen in allen Ecken Deutschlands, in der Schweiz und in Österreich teilgenommen und dabei Menschen kennen gelernt, die ähnliche Träume teilen. Diese Menschen haben einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Wir haben Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen uns entdeckt, auch wenn wir nicht dieselbe Sprache sprechen.
Diese Männer und Frauen sind mir sehr ans Herz gewachsen. Jetzt spricht mein Buch auch die Sprache meiner neuen Freunde.

Es ist sehr aufregend, die Erfahrungen des Landes, in dem ich gelebt, mich meinen Problemen zur Wehr gesetzt, für ein besseres Leben gekämpft habe, jetzt auch mit Ihnen teilen zu können.

Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, Ihnen meine Grüße zu übermitteln.

Pinar Selek



1. Kapitel:

Anstelle einer Einführung: Über mein Vorgehen

Ich sah Ihn', gleichzeitig erstaunt und gequält, im Fernsehen. Er brüllte: »Pass bloß auf und sei ja vernünftig!« und versuchte, seiner Miene einen harten Ausdruck zu verleihen. Das war der
Moment, in dem ich mich entschied, dieses Buch zu schreiben.

Ich zitterte. Ich fühlte mich an die Blicke der Menschen erinnert, die die Fenster der Transvestiten in der Ülkerstraße zerschlugen und alles um sich herum in Flammen hatten aufgehen lassen. Und an die Mienen der Fußballfans, die in Bursa geschrien hatten: »Tod den Tran-sen!« Ich rief mir weitere Szenen ins Gedächtnis. Ich sah verzerrte Gesichter, die »Pass bloß auf und sei ja vernünftig!« schrien und ich sah all die anderen, uns Frauen so vertrauten Bilder.

Mich beschäftigte die Frage, was ich aus all dem machen sollte. Schließlich verspürte ich einen ausschlaggebenden Wunsch: Ich wollte die Geisteshaltung hinterfragen, »die aus einem Kind einen Mörder machte.« Ich wollte diesen »Mörder«, diesen »Mann«, diesen »Jungen« durch das Prisma des Feminismus betrachten.

Dieser Wunsch eröffnete mir ein weiteres Feld. Yasin, Hasan, Kemal .... Noch mehr als der Grund, aus dem sie zu Mördern wurden, interessierte mich, wie es dazu kam, dass sie »Pass bloß auf und sei ja vernünftig!« schrien, wie sie zu Männern geworden waren, warum und wofür sie sich so aufspielten. Also begann ich zu recherchieren. Gleich zu Beginn stellte ich fest, dass diese Recherche auch seitens feministischer Positionen notwendig geworden war.

…..

1 Gemeint ist hier der Attentäter auf Hrant Dink, Yasin Hayal. Da es sich um eine im Fernsehen mehrfach ausgestrahlte und dadurch sehr bekannte Szene handelt, erachtete es Pinar Selek nicht für nötig, hier Hayals Namen zu nennen und benutzte nur das Personalpronomen.




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