La bibliothèque numérique kurde (BNK)
Retour au resultats
Imprimer cette page

Dengi Şî’re Namoyek / Stimme eines fremden Gedichts


Auteur :
Éditeur : VWB – Verlag Date & Lieu : 1993, Berlin
Préface : Pages : 226
Traduction : ISBN : 3-927408-44-1
Langue : Allemand, KurdeFormat : 130x210 mm
Code FIKP : Liv. Kur. All. Oma. Den. N° 2583Thème : Poésie

Présentation
Table des Matières Introduction Identité PDF
Dengi Şî’re Namoyek / Stimme eines fremden Gedichts

Dengi Şî’re Namoyek
Stimme eines fremden Gedichts


Feryad Fazil Omar

VWB – Verlag

Nichts Neues seit Hegel? Im ersten Band seiner Ästhetik lesen wir im Kapitel über das Bild: "Besonders die Orientalen zeigen in dieser Art des Bildlichen große Kühnheit, indem sie gegeneinander ganz selbständige Existenzen zu einem Bilde zusammenbinden und durcheinanderschlingen." Zum Behüte eines Beispiels bemüht Hegel einen Vers Hafis’: "Das Sonnenschwert gießt im Morgenrote aus das Blut der Nacht, über welche es den Sieg errungen hat."
Ohne Feryad Fazil Omars Dichtung auch nur von Ferne in den Dunstkreis hehrer Klassik schummeln zu wollen: Dem Leser Omarscher Lyrik muß derlei Bildlichkeit vertraut anmuten. Nichts Neues seit Hafis? Verbreiten sich Europäer, und erst Goethe-geschädigte Deutsche, über orientalische Lyrik, fällt sein Name - und also auch hier; womit en passant des Verfassers dürftige Kenntnisse dieser außereuropäischen Literatur indiziert wären.
Indes soll hier die Rede von Bildlichkeit sein. Überdies in einer Sprache, deren internationale Bedeutung schätzungsweise so groß sein dürfte, wie die nationale Ignoranz ...


NACHWORT
Das Leben und das, was Leben nicht ist - Dichten im Elend

Marginalien zur Lyrik Feryad Fazil Omars

I

Nichts Neues seit Hegel? Im ersten Band seiner Ästhetik lesen wir im Kapitel über das Bild: "Besonders die Orientalen zeigen in dieser Art des Bildlichen große Kühnheit, indem sie gegeneinander ganz selbständige Existenzen zu einem Bilde zusammenbinden und durcheinanderschlingen." Zum Behüte eines Beispiels bemüht Hegel einen Vers Hafis’: "Das Sonnenschwert gießt im Morgenrote aus das Blut der Nacht, über welche es den Sieg errungen hat."

Ohne Feryad Fazil Omars Dichtung auch nur von Ferne in den Dunstkreis hehrer Klassik schummeln zu wollen: Dem Leser Omarscher Lyrik muß derlei Bildlichkeit vertraut anmuten. Nichts Neues seit Hafis? Verbreiten sich Europäer, und erst Goethe-geschädigte Deutsche, über orientalische Lyrik, fällt sein Name - und also auch hier; womit en passant des Verfassers dürftige Kenntnisse dieser außereuropäischen Literatur indiziert wären.

Indes soll hier die Rede von Bildlichkeit sein. Überdies in einer Sprache, deren internationale Bedeutung schätzungsweise so groß sein dürfte, wie die nationale Ignoranz ihr gegenüber.
Dem Faktenfreund sei sie in Ziffern erzählt: Allein in der Bundesrepublik leben ca. 400 000 Kurden, deren Denken und Sprechen sich aus derselben Sprachfamilie herleitet wie das der Deutschen. Indes kann es, wo der Autor uns seiner Stimme eines fremden Gedichts versichert, hier kaum ums nonchalante Sammeln von Gemeinsamkeiten gehen; und daß dies womöglich ohnehin eitles Unterfangen wäre, möchte das Moment der Bildlichkeit trefflich markieren. Es ist ein theoretisches Moment, kein abstraktes, wenn wir Theorie mit Anschauung übersetzen. Im titelgebenden Gedicht etwa heißt es: "Die Strahlen der Sonne schwammen,/Tauchten wie ein goldener Kamm ins Meer./Kämmten die Zöpfe des Wassers..."
Da werden in nur drei Versen gegeneinander ganz selbständige Existenzen zu einem Bilde "zusammengebunden", und dennoch vermittelt das dem deutschen Leser nur schwerlich Anschauung, bloß Abstraktion - wenn wir abstrakt mit losgelöst übersetzen. Und losgelöst, ganz zweifelsfrei, ist des deutschen Lesers Erfahrung von der Wirklichkeit des kurdischen Lesers, nicht nur hinsichtlich des Umstandes, daß des ersteren Land sich jüngst knapp verdoppelte, des letzteren Land aber quer durch die Jahrhunderte als Land nur in den Wünschen und Vorstellungen derer da war, die seine Sprache sprechen. -Mit der Stimme eines fremden Gedichts, an dem deutschen Lesern fremd ist, was derart abstrakt anmutende Bildlichkeit ausmacht. "Ich schreibe für mein Volk, die Kurden" sagt Feryad Omar, der während seiner Zeit in Bagdad schon vor tausend, heute, nicht weniger gern, zuweilen vor zehn Zuhörern las. Und noch die hiesige, versprengte Gruppe von Interessierten muß für diese Gedichte ein Maß an Offenheit mitbringen, das bis zum Eingeständnis des Nichtverstehens reicht. - In dem zentralen Moment der Bildlichkeit scheint Feryad Fazil Omar tatsächlich allenfalls im Mißverständnis Publikum zu finden.

Damals in Bagdad, als junger Mitarbeiter der dortigen Universität, traf er den von ihm verehrten kurdischen Dichter Ali Bapir ‘Kemali’. In der Plauderei zweier kurdischer Literaten muß unweigerlich irgendwann der Name Abdulla Gorans fallen. Goran gilt als einer der Väter kurdischer Moderne. Aber Kemali (d. i. der Vollkommene) gab sich bedeckt. Von einer ‘blutigen Rose' habe er in Versen Gorans hören müssen, und solches Bild sei ihm ein Graus und auch noch Ausdruck blanken Unvermögens. Solch harschen Diktums Bedeutung bleibt dem deutschen Leser noch unter Hinweis auf den gestrengen Regelkanon orientalischer Lyrik opak, und mithin, was da Neues ist, quer durch die Jahrhunderte seit Hafis.

Als Übersetzer hat Omar sich der Dichtungen von Mewlewi (1800 - 1886), Ahmedi Xani (1650 - 1706) und Mela Hemdün (1850 - 1918) angenommen - und, besonders ausgiebig, derer Abdulla Gorans (1905 - 1963), von der er hofft, eine größere Auswahl auf Deutsch vorstellen zu können. Vielleicht würde er die ewige Frage nach den literarischen Einflüssen mit einigen dieser Namen beantworten. Doch würde dies, nicht nur dem Leser hierzulande, kaum besseres Verständnis Omarscher Lyrik eröffnen. Neuartige und ungewohnte Aspekte hat die Lyrik Omars, der sich in die zweite Generation nach Goran einordnen würde, nicht nur bezüglich der von Kemali kritisierten Bilder. Auch Aufbau und Rhythmus eines jeden Gedichts gestalten sich bei ihm in jeweils neuer, freier Form. Dann ist die Stimme eines fremden Gedichts, so darf vermutet werden, zugleich auch fremde Stimme eines Gedichts für Omars Landsleute.

II

Jüdische Theologen errechneten im Mittelalter die Tränenflüsse der babylonischen Gefangenschaft. Diese Flüsse haben, sagen sie, reißendere Strömungsverhältnisse als die Flüsse Euphrat und Tigris, an denen Israel lagerte. Die Tränenflüsse der verfolgten Kurden sprengen noch die Ufer des verwandelten Rheins, an dessen realem Vorbild nicht wenige exilierte Kurden lagern.

Das Problem ist hier, wie in allen Gedichten Omars für den deutschen Leser das nämliche: Dem am platten Realismus bundesdeutscher Großstadtlyrik, wahlweise auch am Spielerischen sprachexperimenteller Literatur geschulten Leser muß verborgen bleiben, daß die Fremdheit Omarscher Bilder auch ihre Modernität ist. - Es ist auch ihr politisches Moment. In "Der Kampf seines Lebens ist der Tod seines Feindes" wird der Schützengraben zum Auge, zum Wort, zum Lehrer und Anführer. Der Leser wird bemerken, daß hier die Fremdheit der beiden jeweils aufeinanderstoßenden Bildspender weit größer ist als die in der am Beispiel Hafis’ beschriebenen Tradition. Was hier zunächst als bloße Abstraktion erschien, könnte nun höchst konkretes Moment von Subversion sein. Sind fremde Bilder subversivere Bilder? Auch wenn diese Frage, zumal aus eines deutschen Lesers Sicht, kaum entschieden werden kann, ist hier Zusammenhang vermutbar - der zwischen dem Maß an politischer Unterdrückung und der Fremdheit von Bildern, so als indiziere letztere das Jahrhunderte währende Vertrautsein mit ersterer. - Sprache unter bedeutender Bedrohung bedroht Bedeutung.

"Der Garten der Blattlosigkeiten./Sein Lächeln ist Blut mit Tränen vermischt." Zwei Verse aus "Mein Garten" von Mehdi Achawan Ssalless, dessen Spiel mit der Tradition persischer Klassik ihm nicht selten selbst den Klassiker-Verdacht einbrachte. Für Ssaless ist dieser Rückgriff Ausdruck bewußter Distanz zu westlichen Idealen. Feryad Omar weiß gleichfalls sich klassischer Vorbilder verpflichtet, jedoch in verfremdeterer Form als - hinsichtlich persischer Parallelen - etwa bei Ssaless, oder bezüglich kurdischer Tradition bei Goran.

Diese verfremdete Form markiert den Generationswechsel, der kein Bruch ist. Sie mag auch Ausdruck gewachsener Entfremdung sein, ganz fraglos hier nicht nur von kurdischer Heimat. Diese Entfremdung ist auch Chance. Sie schafft jene Distanz, die erlaubt, Partei zu ergreifen ohne parteilich zu sein. Erst solche Distanz aus Entfremdung sprüht ihre "Funken der Rebellion" in die vertraute Anschauung traditioneller Bilder. Sie markiert zugleich Omars Perspektive. Jedes dieser Gedichte erzählt Geschichte aus der Sicht derer, die von ihr gemacht werden, niemals derer, die sie zu machen vorgeben. Und so könnte die zugrundeliegende Entfremdung auch der Preis sein, den Feryad Omar zu entrichten hat, damit etwas auf die deutschen Leser überspringt, von den "Funken der Rebellion", die dann nicht nur Antrieb für die Kraft seines Inneren wären.

III

Feryad Omar inmitten seiner Worte. Auf tausendundeinem Zettel träumen die Worte und Wendungen seiner Muttersprache. Zehn Jahre hat er an seinem kurdischdeutschen Wörterbuch gearbeitet. Da wird auch gesammelt, was zu entgleiten droht, mit jedem Jahr im Ausland mehr. Allein, die Arbeit gegen Sprachlosigkeit findet nicht nur im Wörterbuch statt: "Wie traurig./Daß weder Lippen, Mund noch Atem/ Die Kehle eines Dichters netzen können." Als Fremder im fremden Land muß Omar die Unwägbarkeiten des unausweichlichen Spannungsfeldes von kurdischer Muttersprache und deutscher Sprache ins Kalkül ziehen. "Wie schade,/Daß im Schatten/ Der Eitelkeit/Kein junger Baum seines Gedichts/ Wachsen kann." Omar sagt: "Ich kann die kurdische Sprache kneten, wie einen Teig." Daß und wie die kurdische Sprache auch ihn knetet, bleibt unausgesprochen. - Auch, daß im Schatten solch notwendig wechselseitigen Vorgangs ein junger Baum noch bis ins Deutsche wächst. Aber: "Wie schade./Daß kein Tau des Baumes/ Angesichts seines Gedichts/ Verdunsten kann."

"Es ist mühsam für die Deutschen unsere Bilder zu verstehen", sagt Omar. Und wo deren
Grundbedeutung nicht bekannt ist, muß auch das konstituierende Moment dieser Texte, in Gestalt des komplexen Geflechts von Anspielungen und Querverweisen auf dieselben, sich jedweder Anverwandlung sperren. Der oben gegebene Vers des Titelgedichts mag es verdeutlichen: dem deutschen Leser teilt sich die Lektüre Omarscher Texte noch mit der fremden Stimme eines fremden Gedichts mit. - Doppelt fremd. Fremd in der Bildlichkeit, fremd auch in den politischen Implikationen. Wie könnte sich deutschem Publikum mitteilen, daß Liebe zum Vaterland nicht notwendig Synonym für Nationalprotzerei und Hurrapatriotismus ist? Gebührende Bedacht-samkeit stellt dabei gern in Rechnung, daß jener Liebe Qualität gar leicht zu preisen sei, solange deren Objekt nur in der Vorstellung existiere.
Aber auch durch diesen Gedanken läuft noch ein Bruch. Ihn verdeutlichen die gelegentlichen Passagen in Omars Gedichten, die dem deutschen Leser nur didaktischer Natur erscheinen können. - Da spricht der Autor aus dem Abseits als sicherem Ort. Abseits aller Verwicklungen in die Politik kurdischer Exil-Gruppen und deren patriotischer Umtriebe, aber auch abseits all des Leidens und des Elends, dem seine Landsleute in den kurdischen Gebieten tagtäglich ausgesetzt sind. Und noch, wo die poetische Sprache Omars vor politischen Funken übersprüht, ist dieses Abseits Elend - in des Wortes Bedeutung von ‘außer Landes sein.’
Fisch, Sonne und klares Wasser haben Feryad Omar am Ufer des verwandelten Rheins die Einsicht beschert: "Daß der Schweiß der Stirn/Nur dort/Durch den Wind gekühlt werden kann,/Wo die Berge Piremegrün und Qendil vor uns sind."

IV

Dichten im Elend. Der erste Gefängnisaufenthalt mit Sechzehn. Folter. Begegnung mit anderen Oppositionellen -der Knast als Akademie. Mit Dreiundzwanzig die erste Stelle an der Universität von Suleimanive (Irak). Mit Achtundzwanzig Ausreise nach Deutschland. "Wievieie wußten,/Auf dem Wege des Exils,/Als du auswandertest,/Daß deine Flügel gebunden waren?" - Dichten im Ausland. Vierzehn Jahre Ausland sind vierzehn Jahre wachsende Vertrautheit mit dessen Lebensbedingungen. Wieviel Fremdheit wächst in solch zunehmender Vertrautheit? Wieviel Elend schrumpft in der möglichen Fremdheit über zunehmendes Vertrautsein? Auf einmal ist es sinnlos, den deutschen Leser weiterhin und immer noch puren Unverständnisses zu versichern, und eben noch fremd, findet sich der Leser wie von selbst mitten im Text: "Zwischen mir und dir ist/ Eine Öde./Sie ist wie die Einsamkeit/ Zwischen jenen Wolken/Die am Himmel/ Und den Menschen, die eigensinnig/ Auf der Erde umherirren." Da kommt des deutschen Lesers Erfahrung plötzlich zu nachgerade verblüffender Deckung mit der des kurdischen, da rumort Exil-Erfahrung in der eigenen, da mischt sich Elend als Ausland mit Inland als Elend.

Aber nicht nur in der triftigen Aussage solcher Strophen kann sich der fremde Leser finden. Spätestens der Blick ins dankenswerterweise transkribierte Original macht schlagend die Musik begreiflich, die diesen Texten innewohnt. Deren Fremdheit kann noch dem des Kurdischen nicht Mächtigen zu unmittelbarer Traulichkeit geraten, anders und stärker als jede Übersetzung, die selbst für den akribischen Übersetzer Omar alleweil Dichten im Elend sein muß. - Ein Paradoxon: So wäre, was fremd ist am Gedicht, zumindest für den deutschen Leser, seine Übersetzung; so wäre, was fremd ist an der Stimme des Gedichts, seine Vertrautheit, und so wäre schließlich beider Quintessenz die Möglichkeit von Freiheit. Ihrer werden wir laut Humboldt nur dann habhaft, wenn wir im Fremden innige Verwandtschaft finden.

Burkhard Tewes

Pêşkêşe

Be waney le agir da ledayik bûn u
Le agir da debê bijîn

Gewidmet

denen, die im Feuer geboren sind
und im Feuer leben müssen

Bal bestin

To ew balinde renginey
Asimani düri min bûyt.

Ke habt girt
Le wilati xeribiya,
Be laney dil a§ina büyt.
Şepoli bayeki ture
Heli kird let.
Le hêlanem balekantî be penhanî
Berew rûv nadiyari bird.

Le rêy koçta,
Ke koçit kird,
Çî koçerî rê w ban hebûn,
Pêyan zani,
Ke balekanit besrawin.

Die Flügel gebunden

Du warst jener liebliche Vogel
An einem mir fremden Himmel.

Als du flogst
Im fremden Land,
Um das Heim meines Herzens kennenzulernen,
Jagte die Bö eines zornigen Sturmes
Über dich hinweg,
Trieb deine Flügel unerkannt
Aus meinem Heim ins Nichtwissen.

Wieviele wußten,
Auf dem Wege des Exils,
Als du auswandertest.
Daß deine Flügel gebunden waren?
…..

 

 

 

 




Fondation-Institut kurde de Paris © 2024
BIBLIOTHEQUE
Informations pratiques
Informations légales
PROJET
Historique
Partenaires
LISTE
Thèmes
Auteurs
Éditeurs
Langues
Revues