Der Völkermord an den Armeniern vor Gericht Der Prozeß Talaat Pascha
Tessa Hofmann
Gesellschaft für bedrohte Völker
Als im Juni 1921 der armenische Student Soromon Tehlerjan in Berlin vor Gericht stand, um sich für sein Attentat auf den ehemaligen türkischen Innenminister Talaat Pascha zu verantworten, vertauschten sich die Rollen von Opfer und Täter: Der Prozeß gegen Tehlerjan konnte nicht geführt werden, ohne die türkischen Genozidverbrechen zur Sprache zu bringen, für deren amtliche Anordnung Talaat hauptverantwortlich war und denen im Zeitraum zwischen 1915 bis 1918 drei Viertel von insgesamt 2,1 Mio. in der Türkei lebenden Armeniern zum Opfer gefallen waren. Tehlerjan, der durch den Völkermord beinahe seine gesamte Familie verloren hatte, wurde freigesprochen. Deutsche-Demokraten und Armenierfreunde verstanden damals die Gerichtsentscheidung als nachträglichen Versuch, dem verfolgten und vertriebenen armenischen Volk gerecht zu werden.
Am 24. April 1980 jährt sich zum 65. Mal der Gedenktag an den Beginn des türkischen Völkermordes, dem neben Armeniern auch eine halbe Million Assyrer und Zehntausende arabischer Christen zum Opfer fielen. Wir nehmen dieses Datum zum Anlaß, an vergangenes und gegenwärtiges Unrecht in der Türkei zu erinnern, - einem Land, mit dem Deutschland seit über hundert Jahren enge wirtschaftliche, militärische und diplomatische Beziehungen unterhält und dem die deutsche Bundesregierung gerade in diesen Tagen wieder finanziell unter die Arme greifen muß, um das westliche Bündnis zu festigen. Doch darf Bündnistreue nicht mit Blindheit gegenüber Minderheitenverfolgungen und Menschenrechtsverletzungen erkauft werden.
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