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Öffentliche Meinung


Auteur :
Éditeur : Freien Universität Berlin Date & Lieu : 1978, Berlin
Préface : Pages : 660
Traduction : ISBN :
Langue : AllemandFormat : 150x210 mm
Code FIKP : Liv. Ger. Kuc. Off. N° 2600Thème : Général

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Öffentliche Meinung

Öffentliche Meinung

Hannelore Küchler

Freien Universität Berlin

Was ist das? Einzelne können dazu Hinweise geben, aber es ist mehr als die Summe dieser Hinweise, Es ist in einer Erscheinungsform leicht veränderlich, in anderer möglicherweise über lange Zeit konstant. Es ist in seiner Existenz real, aber nur indirekt erkennbar ... Diese rätselhaften Merkmale könnten noch durch weitere und ähnliche ergänzt werden, aber - entsprechend der Themenstellung dieser Arbeit - liegt die Lösung nahe: Es handelt sich um das Phänomen "Öffentliche Meinung".
Vor mehr als 200 Jahren ist der Begriff "öffentliche Meinung" geprägt worden, seit etwa 150 Jahren wird dieser Begriff und das Phänomen, das er fassen soll, systematisch untersucht, seit etwa 80 Jahren gibt es historische Untersuchungen zur Entwicklung dieses Begriffes (1), seit etwa 40 Jahren und mit andauerndem Enthusiasmus wird auf öffentliche Meinung und ihre kurzfristige Entwicklung durch Repräsentativumfragen geschlossen. Dennoch liegt weder eine umfassende Theorie zur öffentlichen Meinung vor, noch eine zusammenfassende Prablemgeschichte. Zum Bedauern vieler ist ...



VORWORT

Im ersten Teil dieser Arbeit wird zunächst versucht, einen neuen Zugang zur Problematik der öffentlichen Meinung zu finden. Als eines der schwerwiegendsten Hemmnisse auf dem Weg zu einer adäquaten Theoriebildung dieses Phänomens gesellschaftlicher Kommunikation wird das Fehlen von umfassen-' . den Längs- und Querschnittuntersuchungen zu einzelnen Themen öffentlicher Meinung angesehen. Um solche Untersuchungen vorzubereiten, werden anschließend in der Literatur vorhandene Erkenntnisse zum Phänomen öffentliche Meinung miteinander erwogen, ergänzt und in einen theoretischen Orientierunjgsrahmen gestellt. Das Instrument der Umfrage als einziges kann hier nicht in Frage kommen, diese Untersuchungen müssen immer auch - sei es größtenteils oder ausschließlich - anhand von sogenanntem qualitativem Material vorgenommen werden. Dafür können derart auch Themen öffentlicher Meinung aus der Vergangenheit untersucht werden oder solche, die aus politischen oder sonstweichen Gründen einer direkten Erhebung nicht zugänglich sind.

Für die im Anschluß an die theoretisch-methodologische Betrachtung vorgenommene exemplarische Untersuchung ist das Selbstverständnis der Kurden bzw. die öffentliche Meinung unter den Kurden zum Thema "Wir" gewählt worden. Es gibt keine Umfragen zum Selbstverständnis der Kurden und keine verläßliche Statistiken über dieses Volk. Sogar die in die Millionen gehende Zahl der Kurden kann nur geschätzt werden, und ihr als "Kurdistan" bekanntes Hauptsiedlungsgebiet ist geographisch nur vage einzugrenzen. Das Fehlen verläßlicher Statistiken und Zahlen erschwerte die in Teil B dieser Arbeit vorgestellte Untersuchung zweifelsohne, doch konnte das kein Grund sein, sie deshalb bis zu dem nicht absehbaren Tag hinauszuschieben, da quantitatives Material von genügender Qualität und in genügender Menge vor liegen wird - oder auch nicht. Das gleiche Thema hätte im übrigen auch am Beispiel der Basken behandelt werden können. Auch die Basken sind ein Bergvolk ungeklärten Ursprungs, das staatlich geteilt und politisch unbefriedet lebt. Auch das Selbstverständnis der Basken scheint von Kontroversen nicht unberührt zu sein. Ich habe die Kurden gewählt, weil sich mir hier – nicht zuletzt aufgrund eines jahrelangen kurdolo gischen Studiums am Institut für Iranistik der FU Berlin - die Materiallage unvergleichlich günstiger stellte. Eine Vielzahl von einzelnen Kurden und Freunden, darunter Dr. Kemal Fuad aus Silegmant, Dr. ‘izzedfn Resül aus Bagdad und der kurdische Gelehrte und muslimische Theologe Cemfl Rojbeganf aus Teheran, sind mir bei der Beschaffung des noch fehlenden Materials und mit Auskünften, Informationen und Daten auf liebenswürdige Art und Weise behilflich gewesen. Insbesondere habe ich jedoch der National-Union Kurdischer Studenten in Europa (NUKSE) zu danken, die mir für einen langen Zeitraum ihr gesamtes Archiv zur Verfügung stellte. Doch will ich keineswegs andeuten, daß ich eine in allen Teilen erschöpfende MaterialSammlung habe anlegen können. Sie reicht aber, um die wesentlichen Dimensionen der Problemstellung auszuleuchten und sie eingehender von 19oo bis 1975 zu verfolgen.

"Öffentliche Meinung” als Teil und Ausdruck des gesellschaftlichen Prozesses ist per definitionem immer auch von Kontroverse geprägt. So wird die Erhebung und Bearbietung jedwelchen Themas öffentlicher Meinung immer auch Konflikte offenlegen, ihre Grund lagen aufzeigen und ihre Entwicklung über Zeit verfolgen können. Mit anderen Worten können die anhand von qualitativem Erhebungsmaterial vor genommenen Längs- und Querschnittuntersuchungen zu einzelnen Themen öffentlicher Meinung konfliktlösendes Potential abgeben. Hierin kann der besondere Wert dieser Art von Untersuchungen liegen und damit den nicht unerheblichen Arbeitsaufwand und Einsatz lohnen. Der im zweiten Teil der vorliegenden Arbeit verfolgte Prozeß der öffentlichen Meinung unter den Kurden zum Thema "Wir" dürfte auf jeden Fall einen wesentlichen Beitrag zu unserem besseren Verständnis dieses Volkes leisten, das nicht nur im deutschsprachigen Raum noch vorwiegend mit Karl Mags Titel "Durchs wilde Kurdistan" in Zusammenhang gebracht wird. An dieser Stelle ist die von mir gegenwärtig mit einem Sti pendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft bearbeitete Fragestellung zu erwähnen. Es geht hier um das den Kurden in Europa von 19oo bis 1975 entgegengebrachte Fremdverständnis. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit und die zu erwartenden des Forschungsvorhabens sollen in Beziehung gesetzt werden, um zu Aussagen über die Identität der Kurden zu gelangen, wobei davon ausgegangen wird, daß die Identität eines Volkes (oder einer anderen großen Gruppe) eine sich zwischen Selbst- und Fremdverständnis konstituierende Größe ist. Weiterhin ist in dem genannten Forschungsvorhaben nunmehr der Prozess der öffentlichen Meinung in Europa zu Fragen internationaler Politik Gegenstand der Untersuchung.

Die vorliegende Arbeit war als sozialwissenschaftliches Dissertationsvorhaben in das Projekt "Öffentliche Meinung" am Institut für Publizistik der Freien Universität Berlin unter Professor Dr. Fritz Eberhard integriert und ist mit einem zweijährigen Graduiertenstipendium gefördert worden. Es ist Herrn Professor Eberhard zu danken, daß das Thema dieser Arbeit seinerzeit als Dissertationsthema angenommen wurde. Insbesondere habe ich dem Iranisten und Islamisten Jemal Nebez zu danken, meinem langjährigen und geduldigen Lehrer in Sachen Kurden am Institut für Iranistik der FU Berlin. Nicht unerwähnt bleiben darf, daß mir Professor Dr. Dieter Claessens vom Institut für Soziologie und Professor Dr. Wolfgang Rudolph vom Institut für Ethnologie in einer entscheidenden Phase den nötigen Mut zum Weitermachen gaben.
Es bleibt darauf hinzuweisen, daß diese Arbeit von ACTA IRANICA -Encyclopödie Permanente des Etudes Iraniennes aufgenommen worden ist und noch in diesem Jahr dort erscheinen soll.

Berlin, den 14.1.1980
Hannelore Küchler



I. Zur Problematik der öffentlichen Meinung

Was ist das? Einzelne können dazu Hinweise geben, aber es ist mehr als die Summe dieser Hinweise, Es ist in einer Erscheinungsform leicht veränderlich, in anderer möglicherweise über lange Zeit konstant. Es ist in seiner Existenz real, aber nur indirekt erkennbar ... Diese rätselhaften Merkmale könnten noch durch weitere und ähnliche ergänzt werden, aber - entsprechend der Themenstellung dieser Arbeit - liegt die Lösung nahe: Es handelt sich um das Phänomen "Öffentliche Meinung".

Vor mehr als 200 Jahren ist der Begriff "öffentliche Meinung" geprägt worden, seit etwa 150 Jahren wird dieser Begriff und das Phänomen, das er fassen soll, systematisch untersucht, seit etwa 80 Jahren gibt es historische Untersuchungen zur Entwicklung dieses Begriffes (1), seit etwa 40 Jahren und mit andauerndem Enthusiasmus wird auf öffentliche Meinung und ihre kurzfristige Entwicklung durch Repräsentativumfragen geschlossen. Dennoch liegt weder eine umfassende Theorie zur öffentlichen Meinung vor, noch eine zusammenfassende Prablemgeschichte. Zum Bedauern vieler ist selbst der Begriff in dem Zeitraum nicht übereinstimmend geklärt worden. Vertreter von verschiedenen Disziplinen haben sich an den Bemühungen beteiligt, sowohl Historiker als auch Politologen, Publizisten, Soziologen, (Sozial)Psychologen, Staatsrechtler und Staatstheoretiker. Dem ausbleibenben Erfolg Rechnung tragend, ist teilweise vorgeschlagen worden, den Begriff ganz zu meiden, wie es z.B. beim Begriff "Volksgeist" oder "group mind" geschehen ist. "Die Hartnäckigkeit, mit der an dem Ausdruck festgehalten wird, während zugleich alle Definitionen als unbefriedigend empfunden werden, kann eigentlich nur bedeuten: der Begriff öffentliche Meinung entspricht einer Wirklichkeit, aber die Begriffsbestimmungen haben diese Wirklichkeit noch nicht getroffen" (2).

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(1) Paul A. PALMER (1936): 230-231
(2) Elisabeth NOELLE-NEUMANN 1971b: 210 (FLP)




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