VORWORT
Wenn man bedenkt, dass heute in über hundert Ländern der Erde Menschen wegen ihrer politischen Überzeugung, ihrer ethnischen Herkunft oder Religion verfolgt, inhaftiert, verbannt, gefoltert und getötet, folglich Jahr für Jahr Tausende von Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssen, muss dem Asylrecht eine grosse Bedeutung gegeben werden. Die Gastfreundschaft anderer Länder ist eine letzte Hoffnung dieser Menschen. Diesen Menschen Schutz vor Verfolgung zu gewähren ist deshalb eine internationale humanitäre Verpflichtung.
Obwohl die reichen Länder der Welt nur einen kleinen Teil der Flüchtlinge aufnehmen, verbreitet sich in vielen Ländern das Gefühl, dass das eigene Land am meisten belastet sei. Und das Asyl ist in westeuropäischen Ländern zum Thema aufgeregter Debatten geworden. Obwohl politisches Asyl kein ausreichendes Mittel in der Auseinandesetzung mit Gewalt und Unterdrückung in der Welt ist, ist es gleichwohl eine Möglichkeit praktizierter Humanität.
Über die Bezeichnung Emigranten
Immer fand ich den Namen falsch, den man uns gab : Emigranten. Das heisst doch Auswanderer. Aber wir Wanderten doch nicht aus, nach freiem Entschluss Wählend ein anderes Land. Wanderten wir doch auch nicht Ein in ein Land, dort zu bleiben, womöglich für immer. Sondern wir flohen. Vertriebene sind wir, Verbannte. Und kein Heim, ein Exil soll das Land sein, das uns da aufnahm. Unruhig sitzen wir so, möglichst nahe den Grenzen Wartend des Tags der Rückkehr, jede kleinste Veränderung Jenseits der Grenze beobachtend, jeden Ankömmling Eifrig befragend, nichts vergessend und nichts aufgebend Und auch verzeihend nichts, was geschah, nichts verzeihend. Ach, die Stille der Stunde täuscht uns nicht ! Wir hören die Schreie Aus ihren Lagern bis hierher. Sind wir doch selber Fast wie Gerüchte von Untaten, die da Entkamen Über die Grenzen. Jeder von uns Der mit zerrissenen Schuhn durch die Menge geht Zeugt von der Schande, die jetzt unser Land befleckt Aber keiner von uns Wird hier bleiben. Das letzte Wort Ist noch nicht gesprochen.
Bertolt Brecht, Gesammelte Werke 9, Gedichte 2, S. 718, Frankfurt am Main 1967.
Definitionen des Asylrechts
Das Wort Asyl leitet sich vom griechischen "Asylos” ab : das, was nicht ergriffen werden kann. Es bezeichnet ursprünglich einen Ort, der Schutz vor Verfolgung bietet.
Aber der Ausdruck "Asylrecht" ist nicht eindeutig. Fest steht nur, dass er nicht den "Schutz", der einer aufgenommenen Person gewährt wird, bezeichnet. Der allgemeinen juristischen Terminologie entsprechend kommen vielmehr zwei Wortbedeutungen in Frage : Asylrecht im objektiven Sinn und Asylrecht im subjektiven Sinn. Wenn man vom Asylrecht im objektiven Sinn spricht, so meint man die Summe aller Rechtsregeln, die für die Gewährung des Asyls von Bedeutung sind. Diese Rechtsregeln können auf verschiedenen Ebenen liegen. Danach unterscheidet man völkerrechtliches Asylrecht und innerstaatliches Asylrecht. Das innerstaatliche Asylrecht ist selbstverständlich nicht einheitlich für die ganze Erde, sondern gilt jeweils nur für ein Land.
Aber welche Art der Bedrohung es ist, vor welcher der Asylsuchende geschützt werden will, kann nicht allgemein definiert werden. ….. |